Am 1.7.2021 entscheidet der BGH über Fragen zur verbandsrechtlichen Haftung eines Fußballclubs, wenn seine Fans bei Heim- oder Auswärtsspielen Feuerwerkskörper (Pyros) abbrennen. Anlass des Rechtsstreits ist eine Geldstrafe in Höhe von fast 25.000 EUR, die das DFB-Sportgericht gegen den Regionalligaverein FC Carl-Zeiss Jena (damals noch Dritte Liga) verhängte. Grund dafür: Zuschauer hatten bei einem Auswärtsspiel und zwei Heimspielen im Jahr 2018 im Fanblock des Vereins Pyros abgebrannt und Gegenstände in Richtung Spielfeld geworfen.

  • Gemäß § 9a Nr. 1 und 2 der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung (DFB-RuVO) haften Vereine für Fehlverhalten ihrer Fans. Der Umfang der Haftung ergibt sich aus § 44 der DFB-Satzung über die Strafgewalt des Verbands und Strafarten. Gemäß § 44 Nr. 2 können Geldstrafen bis zu 250 000 EUR verhängt werden. Nach dem seit 2018 geltenden Strafenkatalog des DFB kostet den haftenden Verein jeder abgebrannte Feuerwerkskörper und jeder aufs Spielfeld geworfene Gegenstand einen niedrigen vierstelligen Euro-Betrag (siehe hier). Die Bestrafung der Vereine für das Verhalten ihrer Fans steht in der Kritik, weil sie auf einer im deutschen Recht eher unüblichen verschuldensunabhängigen Haftung beruht.

Carl Zeiss Jena legte gegen die Entscheidung des Sportgerichts Berufung vor dem DFB Bundesgericht ein und war damit nicht erfolgreich. Deshalb erhob der Verein gegen die Verhängung der Geldstrafe Klage vor dem Ständigen Schiedsgericht für die 3. Liga.

  • Die Anrufung des Schiedsgerichts basiert auf einer Schiedsgerichtsvereinbarung, die der FC Carl Zeiss Jena mit dem DFB im Jahr 2018 geschlossen hatte und in der bei Streitigkeiten über Sanktionen die Zuständigkeit des Ständigen Schiedsgerichts vereinbart wurde.

Die Klage blieb ebenfalls erfolglos. Daraufhin klagte der Verein vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/M. auf Aufhebung des Schiedsspruchs.

  • Nach § 1062 BGB steht einer Partei, die durch eine Entscheidung eines Schiedsgerichts betroffen ist und diese aufheben lassen möchte, der Weg vor die sog. ordentlichen Gerichte offen. Zuständig ist in solchen Fällen das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk der Ort des Schiedsverfahrens liegt (im vorliegenden Fall war es Frankfurt/M.).

Den Antrag hat das OLG FRankfurt/M. mit Entscheidung vom 23.6.2020 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen legte Carl Zeiss Jena Rechtsbeschwerde vor dem BGH ein. Dort geht es nun darum, ob die Entscheidung des Ständigen Schiedsgerichts, das die Geldstrafe bestätigt hat, aufgehoben werden muss.

  • Aufgehoben werden kann ein Schiedsspruch u.a. dann, wenn die zugrunde liegende Schiedsvereinbarung nach deutschem Recht ungültig ist (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 a, 2. Alt. BGB) oder seine Vollstreckung zu einem Ergebnis führen würde, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 b BGB).

Hierbei geht es (1.) um die Frage, ob der Schiedsspruch durch ein sog. echtes Schiedsgericht getroffen wurde, was die Überprüfung der Geldstrafe durch die Zivilgerichte versperrt. Dies setzt voraus, dass das entscheidende Schiedsgericht eine unabhängige und neutrale Instanz darstellt (so der BGH in der bekannten Pechstein-Entscheidung). In der nunmehr vom BGH zu überprüfenden Entscheidung zweifelt das OLG Frankfurt/M. nicht an Unabhängigkeit und Neutralität des Ständigen Schiedsgerichts, freilich ohne dass zu erkennen ist, ob es sich näher mit der Art und Weise seiner Besetzung  befasst hat, also ob auszuschließen ist, dass und in welchem Umfang eine der beteiligten Parteien auf die Auswahl der Schiedsrichter und damit auf die Entscheidung maßgeblichen Einfluss nehmen kann.

Es geht (2.) um die Frage, ob die Schiedsvereinbarung unwirksam ist. Hierbei kommt das Kartellrecht ins Spiel. Nach § 19 GWB können Schiedsgerichtsvereinbarungen nichtig sein, wenn sie unter Mißbrauch von Marktmacht einer der Parteien zustande kommen. Aufgrund des sog. Ein-Platz-Prinzips (nur ein nationaler Verband für jede Sportart) gelten Sportverbände wie der DFB als Monopolisten. Sieht die Zugehörigkeit zu einem Verband die Unterwerfung unter eine Schiedsgerichtsvereinbarung vor, liegt mißbräuchliches Verhalten nahe, wenn die Unterwerfung nicht durch sachliche Gründe geboten ist und insbesondere wenn sie nicht freiwillig erfolgt. Hier wird der BGH zu klären haben, ob das OLG Frankfurt/M. die Freiwilligkeit der Schiedsabrede zurecht angenommen hat. Daran kann man durchaus zweifeln, denn die Urteilsgründe sind teils nicht sonderlich überzeugend. Das Gericht hat sich hierbei am Maßstab des BGH aus dem Pechstein-Verfahren orientiert, der von Freiwilligkeit ausgeht, wenn keine Anhaltspunkte erkennbar sind, dass die Schiedsabrede durch Drohung oder Täuschung oder durch faktischen Zwang zustande kam. Faktischer Zwang kann u.a. dann vorliegen, wenn ein Sportler oder ein Sportverein durch die Verbandssatzung gezwungen ist, eine Schiedsvereinbarung einzugehen, um am sportlichen Wettbewerb überhaupt teilnehmen zu können. Das OLG Frankfurt/M. kam zu dem Ergebnis, dass das DFB-Statut für die 3. Liga keine Schiedsvereinbarung für die Teilnahme voraussetze. Allerdings sind die Klauseln des Statuts – schaut man genau hin – gewollt oder ungewollt unscharf. Unter § 5 Ziff. 4, der die nicht-sportlichen Zulassungsvoraussetzungen regelt, heißt es u.a.:

Für die Entscheidungen von Streitigkeiten zwischen dem betreffenden Verein bzw. Kapitalgesellschaft und dem DFB ist der Abschluss eines Schiedsvertrags vorgesehen.

Das OLG Frankfurt/M. sieht hierin dem Wortlaut nach keine echte Zulässigkeitsvoraussetzung („ist vorgesehen“). Das klingt in der Tat weniger verbindlich als „muss“. Andererseits heißt es in § 5 Ziff. 5, der ersichtlich unterschiedslos Bezug nimmt auf die vorstehenden Bestimmungen:

Wird eine der genannten Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt, kann der betreffende Verein bzw. Kapitalgesellschaft die Zulassung zur 3. Liga nicht erhalten.

Die Frage, ob die Schiedsvereinbarung Voraussetzung einer Zulassung zur Liga ist, beantworten die Bestimmungen damit jedenfalls nicht klar und deutlich.

Schließlich geht es (3.) um die Frage, ob der Schiedsspruch aufgehoben werden muss, weil seine Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Das OLG Frankfurt/M. geht indes davon aus, dass Verbandsstrafen im allgemeinen, insbesondere aber auch die sog. strict liability, also die objektive Kausalhaftung im Falle des Fehlverhaltens von Fans durch die in Art. 9 Abs. 1 GG verankerte Verbandsautonomie legitimiert sei. Auch hierzu gibt es in der juristischen Literatur unterstützende und kritische Meinungen, die der BGH hoffentlich berücksichtigen wird.

Az.: BGH: I ZB 54/20

Az. OLG Frankfurt/M.: 26 Sch 1/20

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