Ab dem 1. Juni treten neue Fußballregeln in Kraft. Das für Regeländerungen zuständige Gremium International Football Association Board (IFAB), welches sich aus der FIFA und den vier Ur-Verbänden des Fußballs (England, Schottland, Wales und Nordirland) zusammensetzt, hat pünktlich zur Europameisterschaft in Frankreich 95(!) Regeländerungen  beschlossen.

Mit von der Neuerung betroffen sind vor allem Regelungen zum Anstoß, zum Elfmeter und zur sog. „Dreifachbestrafung“. Insgesamt soll die Neuregelung der Vereinfachung und Modernisierung des Regelwerks dienen. Neben einer übersichtlicheren Struktur und Vereinfachung des Sprachgebrauchs, wurden veraltete Passagen gestrichen.  Die IFAB beschreibt diese Reform selbst als die größte in ihrer 130 Jährigen Geschichte.

Die relevantesten und vor allem spannendsten Änderungen haben wir uns näher angeschaut.

  • Elfmeter

Das komplette Abstoppen des Schützen beim Anlauf zum Elfer wird künftig mit einer gelben Karte geahndet. Das Spiel wird daraufhin mit einem indirekten Freistoß für den Gegner fortgesetzt. Eine leichte Verzögerung beim Anlauf zum Elfmeter ist jedoch weiterhin erlaubt.

Ebenfalls verboten und mit einem indirekten Freistoß geahndet wird die Konstellation des Elfmeters, in welcher ein anderer Spieler als der vermeintliche Schütze den Elfmeter ausführt. Gleiches gilt für den bisher ungeregelten Fall, wo ein Spieler den Elfmeter nach hinten, in seine eigene Spielhälfte hinein ausführt und ein Teamkamerad abschließt. Auch dieser Spielzug ist nun verboten.

Unsere Auffassung dazu: Zu viel Regelungswut. Was ist komplettes Abstoppen, was ist leichte Verzögerung? Das müssen künftig die Schiris beurteilen und werden dadurch Diskussionen entfachen. Und warum die gelbe Karte für den Versuch? Könnte also passieren, dass ein gelb-vorbelasteter Schütze, der zu sehr abstoppt und zu wenig verzögert, mit Gelb-Rot vom Platz fliegt. Seltsame Vorstellung.

  • Anstoß

Bisher musste der Ball beim Anstoß in die gegnerische Hälfte des Spielfelds gespielt werden. Diese Regelung wurde nun aufgehoben. Beim Anstoß kann der Ball künftig auch direkt in die eigene Hälfte gespielt werden.

Unsere Auffassung dazu: Wir haben auch nie verstanden, warum beim Anstoß zwei Spieler erforderlich sind, wobei der eine dem anderen den Ball nach vorne hin zuspielt, damit ihn dieser sofort in die eigene Hälfte zurückspielen kann.

  • Dreifachbestrafung

Unter dem Begriff der Dreifachbestrafung versteht man die Kombination aus (1) Elfmeter, (2) Platzverweis und (3) anschließender Sperre für den Spieler, der im Strafraum absichtlich foult. Man wollte damit besonders bestrafen, dass der Foulende in dieser Konstellation eine sog. 100%ige Torchance unfair vereitelt.

Anstatt der bisher zwingenden roten Karte, kann der Schiedsrichter künftig eine gelbe Karte verhängen. Dies soll in den Fällen einschlägig sein, in denen der Angriff des Abwehrspielers eindeutig dem Ball galt. Dank der Neuregelung kann der Spieler somit vor einem Platzverweis verschont bleiben. Die Dreifachbestrafung war häufiger Diskussionspunkt in der Vergangenheit. Das IFAB begründet die Neuregelung damit, dass die Torchance für den Gegner durch den Strafstoß wieder hergestellt werde. Eine gelbe Karte reiche deswegen aus.

Unsere Auffassung dazu: Gut, dass dem Schiedsrichter nun Ermessen eingeräumt wird. Die Dreifachbestrafung mag in krassen Fällen angebracht sein, in Grenzfällen hingegen blieb immer der fade Beigeschmack, das Spiel jedenfalls durch Verhängung Elfmeter und Platzverweis bereits vorentscheidend beeinflusst zu haben.

  • Platzverweise

Im Bundesligaspiel HSV gegen VfL Wolfsburg 2005 bekamen Rafael van der Vaart und Maik Franz noch nach Ende des Spiels „Rot“. Mit der ab 1. Juni geltenden Neuregelung wird es möglich sein, Spieler nicht nur während und nach dem Spiel mit einem Platzverweis zu bestrafen, sondern sogar vor Anpfiff eines Spiels.

Erhält ein Spieler vor Anpfiff einen Platzverweis, kann die betroffene Mannschaft auf ihr Wechselkontingent zurückgreifen und somit trotzdem 11 Spieler auf den Platz schicken. Damit entspricht diese Art des Platzverweises der „Spieldauerdisziplinarstrafe“ im Eishockey. Der Spieler muss für den Rest des Spiels in die Kabine, das Team kann aber in voller Besetzung weiterspielen.

Das Recht des Schiedsrichters, vor Spielbeginn Platzverweise zu verteilen, beginnt ab dem Zeitpunkt, wo der Schiedsrichter die Spielfeldinspektion vornimmt.

Unsere Auffassung dazu: Wir fragen uns, was die Anwendungsfälle sein könnten. Uns fällt Roy Keane ein, der sich gerne mal in den Stadionkatakomben vor dem Spielbeginn mit Gegnern gekabbelt hat. Aber das ist lange her und soll wirklich das bisschen Trashtalk geahndet werden?

  • Unterwäsche

Spieler müssen künftig noch mehr auf die Farbwahl ihrer Unterhosen achten. Unterhosen mussten bislang dieselbe Farbe wie die Fußballhose. Da es nun aber vermehrt Hosen gibt, die zweifarbig sind, darf die Unterhose der Spieler eine dieser beiden Farben aufweisen. Alle Spieler des Teams müssen sich dann aber auf eine einheitliche Farbe festlegen.

Unsere Auffassung dazu: Stylefragen sind ja auch wichtig. Früher gab es doch noch Hosen mit Innenslip. Da hat sich diese Frage gar nicht gestellt. Sollte man nicht einfach nur noch solche Hosen zulassen?

  • Spielen mit nur einem Schuh

Verliert ein Spieler während des Spiels Teile seiner Ausrüstung (Schuhe, Schienbeinschoner) war es ihm nach bisher geltender Regelung verboten, weiter in das Spielgeschehen einzugreifen. Die Neuregelung ermöglicht es nun den Spielern, auch ohne vollständige Ausrüstung bis zur nächsten Unterbrechung weiterzuspielen.

Unsere Auffassung dazu: Die Scheewittchen-Regel. Aber wer trägt einem den Schuh hinterher?

  • Trinkpausen

Schiedsrichter erhalten nun die Möglichkeit, Trinkpausen anzuordnen und das Spiel für diese Zeit ruhen zu lassen. Am Ende der Partie wird die Nachspielzeit um die Pausendauer ergänzt.

Unsere Auffassung dazu: macht bei Weltmeisterschaften in Lateinamerika zur Sommerzeit bestimmt Sinn.

Neben den bereits beschlossenen Regeländerungen stehen noch weitere Regeln zur Debatte. So wird derzeit über die Möglichkeit einer härteren Sanktion für das Handspiel auf der Torlinie nachgedacht. ein Handspiel auf der Torlinie könnte künftig mit einem Tor für die gegnerische Mannschaft, statt mit einem Elfmeter betraft werden. Eine Entscheidung über diese Regelung ist aber noch nicht getroffen worden. Warten wir mal ab.

Wir würden es auch begrüßen, wenn über folgende Regeländerungen nachgedacht würde (es ist nicht ganz ernst gemeint):

  1. Verboten und mit Gelb geahndet wird die Unsitte des „Hand-vor-den-Mund-Haltens“, wenn sich Spieler oder Trainer auf oder neben dem Platz miteinander unterhalten.
  2. Spieler, die nicht jubeln, wenn sie gegen ihren Ex-Club ein Tor schießen, werden wegen übertrieben zur Schau gestelltem Gewissenskonflikt mit Gelb bestraft.
  3. Spieler, die mit zwei verschiedenfarbigen Schuhen spielen, das geht gar nicht. Bitte auch verbieten.

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