Championsleague- oder Bundesligaspiele ohne Sky Abo schauen? Kein Problem. Viele illegale Livestream-Angebote im Internet machen es möglich, zum Verdruss der Rechteinhaber. Im EU-Parlament nimmt jetzt eine Gesetzgebungsinitiative Fahrt auf, die es den Rechteinhabern ermöglichen soll, die Piratenkanäle ohne längeren Rechtsweg trocken zu legen.

  • Was ist geplant?

Eine Mehrheit im Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat eine Vorlage für eine EU-weite Regelung im Kampf gegen illegale Sport-Streaming-Angebote vorbereitet. Geplant ist folgendes Vorgehen: Rechteinhaber melden einem Vermittlungsdienst einen illegalen Stream. Vermittlungsdienste sind im Prinzip Provider, also z.B. Hosting-Anbieter, Online Martkplätze oder Social Media Plattformen. Der benachrichtigte Vermittlungsdienst muss den Stream innerhalb von 30 Minuten nach Erhalt der Meldung offline nehmen, bzw. durch Blocking oder vergleichbar wirksame technische Maßnahmen ausschalten. Diskutiert wird, diesen Vorschlag in den geplanten Digital Services Act aufzunehmen, den die EU-Kommission am 15.12.2020 im Entwurf vorgelegt hat und der ein umfassendes Regelwerk für die Verantwortlichkeit  von Internet-Providern festlegt. Hinsichtlich der Rechtsfolgen bei nicht oder nicht rechtzeitig erfolgter Sperre, könnte dann wohl vor allem auf Geldbußen und Zwangsgelder zurückgegriffen werden die der Entwurf des Digital Services Act bereits vorsieht.

  • Was ist der Hintergrund?

Wird urheberrechtlich geschütztes Material gestreamt, bedarf es einer Erlaubnis des Rechteinhabers. Übertragungen von Bundesligaspielen unterfallen nach deutschem Recht dem Recht des Sendeunternehmens aus § 87 UrhG. Das Live Streaming solcher Fußballübertragungen stellt eine Weitersendung dar, die allein dem Sendeunternehmen vorbehalten ist. Wer diese Übertragungen ohne Erlaubnis für die Öffentlichkeit streamt, handelt illegal.

In diesem Zusammenhang ganz aktuell: der Bundestag hat jüngst den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Urheberrechtsreform durchgewunken und setzt damit die EU-Urheberrechtsrichtlinie kurz vor Ablauf der Umsetzungsfrist in deutsches Recht um. Gegenstand der Reform sind die – auch als Uploadfilter bezeichneten – umstrittenen Sperrpflichten für Onlineinhalte. U.a. sieht das Gesetz (Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz) eine Regelung für  Live-Übertragungen von Sportveranstaltungen vor, wonach auf Verlangen des Rechteinhabers bereits kleinste Ausschnitte solcher Übertragungen von den Internet-Plattformen beim Hochladen blockiert werden dürfen. Näheres zum Gesetz bei irights.info von meiner Kollegin Maya El-Auwad sowie bei Golem und netzpolitik.org.

Anbieter solcher Streams kommen, so die EU-Parlamentarier, vielfach von außerhalb der EU, die Streams sind indes für EU-Bürger abrufbar (z.B. livetv.sx). Das Kernproblem sei, dass eine Rechtsdurchsetzung bei Sport-Livestreams regelmäßig zu spät komme weil die Sportevents in der Regel nicht länger als zwei Stunden dauern. Den größten Schaden erleiden Rechteinhaber in diesem Fall während des Livestreams, weswegen das Zeitfenster für Durchsetzungsmaßnahmen sehr eng sei. Der Rechtsausschuss möchte die Rechteinhaber besser schützen, da gerade im Profisport die Lizenzeinnahmen besonders relevant seien. Zudem wird das Risiko für Verbraucher angeführt, sich während des Streamings durch unbeachtes Klicken auf penetrant eingeblendete Werbung Schadsoftware herunterzuladen.

  • Gibt es schon einen Gesetzesentwurf?

Nein, aber eine Vorlage mit Anpassungsvorschlägen. Die Vorlage wurde am 17.11.2020 veröffentlicht. Eine Pressemitteilung hierzu stammt vom 14.04.2021, nachdem darüber im Ausschuss abgestimmt wurde. Am 17.05.2021 fand eine Debatte im Parlament statt (siehe 20:41 – 20:50). Die Kommission muss jetzt entscheiden, ob sie den Vorschlag aufnimmt.

  • Wogegen richtet sich die Kritik?

Es gibt einige kritische Stimmen. Meist wird ein Overblocking befürchtet. Auch gegen die unmittelbare Durchsetzung durch die Betroffenen richten sich Bedenken. Der SPD-Europa-Abgeordnete Tiemo Wölken kritisiert gegenüber dem Handelsblatt, die Inhaftungnahme von Plattformen ginge zu weit, wenn Rechteinhaber eine Löschung anordnen und Plattformen diese Anordnung nicht prüfen können. Löschanordnungen müssten den staatlichen Stellen vorbehalten bleiben. Weiter kritisiert er, dass die Sperrfrist von 30 Minuten zu knapp sei. Er vergleicht dies mit einer weiteren EU-Gesetzgebungsinitiative, terroristische Inhalte auf behördliche Anordnung hin zu löschen, worfür die Frist sogar 60 Minuten betrage.

Patrick Breyer (Piraten) sieht in dem Entwurf eine Bedrohung für digitale Grundrechte und wirft den Parlamentariern vor, sich dem Diktat von Lobbyisten der Verwertungsindustrie zu beugen.

Netzaktivistin Julia Reda warnt vor Kollateralschäden für legale Kommunikation.

Von anderen wird an der Effektivität insgesamt gezweifelt. Die direkte Sperrung von IP-Adressen oder Einträgen aus DNS-Servern könne etwa durch den Einsatz von VPNs o.Ä. leicht umgangen werden.

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