Die FIFA und der DFB sowie die angeschlossenen Verbände müssen ein weiteres Mal erfahren, dass sie sich nicht im rechtsfreien, fußballautarken, Rechtsraum bewegen. Anordnungen, Verfügungen und Strafen bedürfen einer rechtlichen Grundlage. Im Fall des SV Wilhelmshaven war diese im Vereinsrecht zu suchen. Der BGH hat gesucht und mit Urteil vom 20.9.2016 – II ZR 25/15 nichts gefunden.
Was war geschehen?
Weil der SV Wilhelmshaven e.V. sich geweigert hatte, eine von der FIFA auf Antrag von zwei argentinischen Vereinen festgesetzte, um vom angerufenen Court of Arbitration for Sports (CAS) bestätigte, Ausbildungsentschädigungen in Höhe von insgesamt 157.500 € für den damals 19-jährige Sergio Sagarzazu zu zahlen, forderte die FIFA den DFB auf, den Zwangsabstieg des Vereins aus der Regionalliga Nord umzusetzen. Der DFB reichte diese Bitte an den Norddeutschen Fußballverband e.V. weiter. Dessen Präsidium beschloss sodann den Zwangsabstieg. Eine dagegen gerichtete Beschwerde des Vereins wies das Verbandsgericht des Norddeutschen Fußballverband e.V. zurück. Zuvor hatten auch die Verhängung einer Geldstrafe und der Abzug von Punkten in der Ligameisterschaft den Verein nicht bewogen, die Ausbildungsentschädigung zu zahlen.
Der SV Wilhelmshaven e.V. reichte beim LG Bremen Klage gegen den Zwangsabstieg ein und verlor. Auf die Berufung des Vereins hob das OLG Bremen das Urteil auf und stellte die Unwirksamkeit des Beschlusses des Norddeutschen Fußballverband e.V., mit dem der Zwangsabstieg verfügt wurde, fest. Der BGH bestätigte nun diese Auffassung.
Was ist der rechtliche Hintergrund?
Wir befinden uns im Vereinsrecht.
Der BGH hat entschieden, dass der Beschluss über den Zwangsabstieg in das Mitgliedschaftsverhältnis des SV Wilhelmshaven e.V. zum Norddeutschen Fußballverband e.V. eingreift, ohne dass dafür eine ausreichende Grundlage vorhanden ist.
Eine vereinsrechtliche Disziplinarstrafe darf nur verhängt werden, wenn sie in der Satzung des Vereins vorgesehen ist. Dabei muss die Regelung eindeutig sein, damit die Mitglieder des Vereins die ihnen eventuell drohenden Rechtsnachteile erkennen und entscheiden können, ob sie diese hinnehmen oder ihr Verhalten entsprechend einrichten wollen, so der BGH.
Eine derartige Grundlage fehlt jedoch in der Satzung des Norddeutschen Fußballverband e.V., soweit es um Disziplinarstrafen bei Nichtzahlung von Ausbildungsentschädigungen geht. Ob sich aus den Satzungen des DFB oder der FIFA entsprechende Bestimmungen ergeben, sei ohne Belang, denn maßgebend sei allein die Satzung des Norddeutschen Fußballverband e.V. Denn der SV Wilhelmshaven e.V. ist nur Mitglied des Norddeutschen Fußballverband e.V., nicht auch des DFB oder gar der FIFA. Der BGH stellte klar, dass Regeln eines übergeordneten Verbands – wie hier der FIFA – grundsätzlich nur für dessen Mitglieder gelten. Sie erstrecken sich nicht allein aufgrund der Mitgliedschaft eines nachgeordneten Vereins – hier des Norddeutschen Fußballverband e.V. – in dem übergeordneten Verband auf die Mitglieder des nachgeordneten Vereins – hier den SV Wilhelmshaven e.V.
Damit sei der Beschluss über den Zwangsabstieg allein an der Satzung des Norddeutschen Fußballverband e.V. zu messen. Weil die Satzung hinsichtlich von Disziplinarmaßnahmen bei Nichtzahlung von Ausbildungsentschädigungen auch nicht auf die Bestimmungen in den Regelwerken des DFB oder der FIFA verweise, fehle es schlicht weg an einer satzungsinternen Rechtsgrundlage.
Auch aus dem zwischen dem Verein und dem DFB geschlossenen „Zulassungsvertrag Regionalliga“ über die Teilnahme an der Regionalliga könne kein entsprechendes Sanktionsrecht in Form des Zwangsabstiegs wegen der Nichtzahlung der Ausbildungsentschädigungen hergeleitet werden. Ob und inwieweit der Verein über diesen Vertrag das Reglement der FIFA bezüglich Status und Transfer von Spielern anerkannt hat, könne offen bleiben, so der BGH, denn in dem Gerichtsverfahren ging es allein um die Wirksamkeit der Sanktion, also des Zwangsabstiegs, und nicht um die Berechtigung der Ausbildungsentschädigung selbst.
Schließlich sah der BGH auch in der bloßen Teilnahme des SV Wilhelmshaven e.V. an der Regionalliga keine Unterwerfung unter eine Zwangsabstiegsentscheidung des Vereins wegen Nichtzahlung der Ausbildungsentschädigungen. Eine solche faktische Wirkung entfalten nur die von dem veranstaltenden Sportverband aufgestellten Wettkampfregeln, da ohne diese Regeln ein geordneter Wettkampfbetrieb nicht möglich wäre. Die Regeln über die Ausbildungsentschädigung sind aber keine Wettkampfregeln in diesem Sinne.
Fazit
Die verbandsinternen Strukturen sind das Eine, die allgemein geltenden Gesetze das Andere. Dies mussten FIFA und DFB, und auf letzter Stufe der Norddeutsche Fußballverband e.V., nun am eigenen Leib erleben. Der DFB wird nun rasch die ihm angeschlossenen Landesverbände anweisen, in den Satzungen für eine entsprechende Sanktionsmöglichkeit und allgemein eine Umsetzbarkeit der FIFA Regularien zu sorgen. Ob als Folge des Urteils der heutige Bezirksligist (7. Liga) nun von einer Rückkehr in die Regionalliga Nord träumen darf, bleibt vorerst offen. Der Verein hat bereits angekündigt, einen entsprechenden Antrag auf Wiederaufnahme in die Liga stellen zu wollen. Problem ist hier jedoch, dass der SV Wilhelmshaven e.V. in der Saison 2013/2014 nicht nur am grünen Tisch ab, sondern am letzten Spieltag als Tabellensechzehnter auch aus sportlichen Gründen abgestiegen ist, sich also ein kleines Kausalitätsproblem stellt. Klar ist aber auch, dass ein angeordneter Zwangsabstieg Auswirkungen auf die Motivation der Spieler hat. Was in jedem Fall im Raum steht sind Schadensersatzansprüche des Vereins gegen den Norddeutschen Fußballverband e.V. wegen des Zwangsabstiegs.
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