Die Schmähungen in Richtung Dietmar Hopp in den Spielen bei der TSG Hoffenheim und beim 1 FC Union Berlin am vergangenen 24. Spieltag waren wohl eine unmittelbare Reaktion der beteiligten Ultras auf das die Fanszenen zum Brodeln bringende Urteil des Sportgerichtes des DFB vom 21.2.2020, so auch der Kicker. In der Entscheidung war eine gegenüber Borussia Dortmund ausgesprochene Bewährung widerrufen, und als Kollektivstrafe, der Ausschluss der Fans in den nächsten zwei Spielzeiten bei allen Pflichtspielen bei der TSG Hoffenheim ausgesprochen worden.

In dem den Ausschluss der Fans zur Bewährung aussetzenden Urteil vom 11.12.2019 hieß es zum Gegenstand des unsportlichen Verhaltens, dass im Spiel zwischen Hoffenheim und Dortmund am 22.09.2018 in Sinsheim im Dortmunder Fanblock ein Banner mit dem Bild von Dietmar Hopp in einem Fadenkreuz und darunter mit dem Schriftzug „Hasta La Vista, Hopp“ gezeigt wurde. Außerdem wurden drei weitere große Spruchbänder mit den Aufschriften präsentiert: „Was soll die Scheiße, Du Hurensohn?“, „Hopp, Du Bastard“ und „Hopp, Du Hurensohn“. Die Aktion wurde begleitet von beleidigenden Sprechchören („Dietmar Hopp, Du Sohn einer Hure“).“

Im Spiel in Sinsheim am 20.12.2019 wurden dann erneut im Dortmunder Fanblock Banner u.a. mit den Aufschriften „@Hopp wir scheißen auf Dich! Du Hurensohn!!!“ und „Wir wünschen allen ein frohes Fest Und dir dein Letztes!“ gezeigt.

Der Umfang der verbandrechtlichen Haftung des Vereins für das Verhalten seiner Anhänger im eigenen oder fremden Stadion, die auch Gegenstand der Urteile bildet, Stichwort Kollektivstrafe, ist nur eine, auch in diesem Forum oder an anderer Stelle noch zu beleuchtende, Frage von vielen.

An dieser Stelle ebenfalls nicht besprochen werden soll die Frage, ob das von der FIFA vorgegebene 3-Stufen-Verfahren („Three-step procedure for discriminatory incidents„), wonach die Stufe 1 eine Durchsage des Stadionsprechers vorsieht, in der Stufe 2 eine Unterbrechung des Spiels folgt, bei der die Spieler das Feld verlassen, und schließlich in der Stufe 3 der Spielabbruch folgt, eine verhältnismäßige und vom Verbandsrecht gedeckte Maßnahme darstellt.

Hier lautet die Frage vielmehr, was denn zukünftig einen „serious discriminatory“ Vorfall (incident) darstellt, den der Schiedsrichter, in Ausübung der Regel 5 der Fussball-Regeln zur Einleitung des 3-Stufen-Verfahrens zum Anlass nehmen darf oder sogar muss?

Der medial und von den Fangruppen nun vielfach erhobene Vorwurf war der der Ungleichbehandlung. Die Beleidigung eines milliardenschweren Förderers werde geahndet, rassistischen Beleidigung einzelner Spieler führten nicht zu einer Unterbrechung.

9 Nr. 1 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB sieht vor, dass eines unsportlichen Verhaltens sich insbesondere schuldig mache,

wer sich politisch, extremistisch, obszön anstößig oder provokativ beleidigend verhält„.

Nr. 2 regelt darüber hinaus:

Wer die Menschenwürde einer Person oder einer Gruppe von Personen durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äußerungen oder Handlungen in Bezug auf Hautfarbe, Sprache, Religion, Herkunft, Geschlecht oder sexuelle Orientierung verletzt oder sich auf andere Weise rassistisch und/oder menschenverachtend verhält, wird für mindestens fünf Wochen gesperrt…„.

Der Nr. 2 birgt, da die dort aufgezählten Handlungsweisen ohne weiteres den Straftatbestand der Beleidigung gem. § 185ff StGB erfüllen, nicht die Gefahr einer überbordenden Anwendung oder sogar Zensur. Zumindest ist ihm, dem reinen Wortlaut nach, diese Gefahr nicht immanent.

Problematisch erscheint in dieser Hinsicht jedoch die im Wortlaut des § 9 Nr. 1. der Rechts- und Verfahrensordnung mitschwingende Wertung.

Neben der evidenten Schwierigkeit, dass ein Schiedsrichter binnen weniger Minuten und neben der Leitung des Spielgeschehens als solchem, entscheiden muss, welche Äußerungen von den Rängen als unsportliches, weil beleigindes, Verhalten und als Eingriff von außen oder noch von der Meinungsfreiheit gedeckt anzusehen sind, einer Frage, an der auch Richter und Anwälte im Äußerungsrecht regelmäßig scheitern, nennt die Verordnung mit „politisch, extremistisch, obszön anstößigem Verhalten“ ohne weiteres von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG gedeckte Beispiele.

Wohl aufgrund der allgemeinen Aufregung um die Vorgänge im Spiel der TSG gegen den FC Bayern, die in vielfachen Solidaritätsbekundungen ander Vereine und Funktionsträger mit Herrn Hopp mündeten,  aber vielleicht auch aufgrund der Unschärfe des Regelwerks des DFB unterbrach Schiedsrichter Bastian Dankert die Begegnung 1. FC Union Berlin gegen den VfL Wolfsburg nach Sichtung des Banners mit der Aufschrift:

„2017 Kollektivstrafen abgeschafft, nun Hopp hofiert und zwei Schritte zurück gemacht! Fick dich, DFB!“

Eine scharfe, aber zivil- und strafrechtlich durchaus wohl noch zulässige Meinungsäußerung, jedoch vom Wortlaut des § 9 Nr. 1 erfasste Unsportlichkeit, die vom Schiedsrichter allein vom Wortlaut der Verordnung her als Eingriff von außen gewertet werden konnte.

Die Gefahr, dass zukünftig, unter Berufung auf die Causa Hopp, jedwede überspitzte Kritik am DFB und an seinen Funktionären, mit Einleitung des 3-Stufen-Verfahrens geahndet wird, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Gleichzeitig existiert mit Nr. 2 ein starkes Instrument, rassistische Handlungen und Äußerungen der Fans mit der Einleitung des 3 Stufen-Verfahrens zu sanktionieren, das in der Bundesliga, anders als in anderen europäischen Ligen, bis her nicht im ausreichendem Umfang, nämlich überhaupt nicht, angewendet wurde.

Der DFB ist auf der anderen Seite auch nicht gänzlich frei darin festzulegen, was er als zulässige Meinungsäußerung oder als in letzter Instanz zum Spielabbruch berechtigende Äußerung ansieht. Es kann durchaus vertreten werden, dass ein Fußballstadion, zwar nicht originär, aber aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung des Fußballs, auch als Plattform für den Fußball betreffende Meinungsäußerungen dient. Wenn dies so ist, dürfte die Entscheidung über die Zulässigkeit der getätigten Äußerungen im Hinblick auf die fundamentale Bedeutung, die der Meinungsfreiheit für die menschliche Person und die demokratische Ordnung zukommt, nicht im Ermessen des Schiedsrichters als Organ des DFB liegen. Jedenfalls in der sportgerichtlichen Überprüfung einer Strafe wäre dieser Umstand im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte zu berücksichtigen. Andererseits muss dem Schiedsrichter das Recht zustehen, Äußerungen mit einem strafbaren oder die Rechte Dritter verletzenden Inhalt durch Einleitung der 3-Stufen-Verfahrens zu ahnden, um die Sicherheit des Spielbetriebs und den Eingriff in Rechter Dritter zu unterbinden.

 

FAZIT:

Der DFB muss seine Schiedsrichterausbildung um eine äußerungsrechtliche Schulung erweitern. Letztlich wird ein Schiedsrichter aber die schwierige Einzelfall-Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte, mit der Meinungsfreiheit auf der einen und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf der anderen Seite, nicht bewältigen können. Um einen geordneten Spielbetrieb sicherzustellen, der nicht durch wiederholte Spielunterbrechungen gestört wird, bleibt wohl nur die Maßgabe, dass das 3-Stufen-Verfahren auf offensichtliche, auch für den juristischen Laien ohne weiteres erkennbare, Rechtsverletzungen beschränkt bleiben und die Verfolgung weiterer Verstöße, allein im Spielnachgang durch Staatsanwaltschaft und/oder Verein oder eben DFB erfolgen sollte.