Dass Sinan Kurt – wir berichteten – kein Einzelfall war, dürfte sich zwischenzeitlich herumgesprochen haben. In den Medien tauchten weitere Namen wie Elias Abouchabaka oder Berkan Alimler auf. Sinan Kurt war, als er im Alter von 16 Jahren bei Mönchengladbach den Fördervertrag unterzeichnete, im Vergleich zu diesen schon fast ein alter Hase.

Das Scouting beginnt immer früher. Spielerbeobachtung in der U14 bzw. U15 sind keineswegs eine Ausnahme. Alle Bundesligavereine verfügen mittlerweile über zertifizierte Leistungszentren. Die Leistungszentren gliedern sich in Grundlagen- (F- und E-Junioren), Aufbau- (D- und C-Junioren) und Leistungsbereich (A- und  B-Junioren). Dem Leistungsbereich gehören also Spieler an, die im Spieljahr mindestens das 15. Lebensjahr vollendet haben (im Spieljahr 2015/2016 also die Geburtsjahre 1997/1998).

Die Spielordnung des DFB gestattet es den Vereinen, mit A- und B-Junioren im Leistungsbereich der Leistungszentren, einen sog. Fördervertrag abzuschließen. Damit erlangen sie den Status eines Vertragsspielers. Der Fördervertrag orientiere sich, so die Spielordnung, an dem Mustervertrag („3+2 Modell“). Die maximale Laufzeit eines solchen Fördervertrages beträgt gemäß § 22 Spielordnung 3 Jahre. Gleichzeitig sieht das „3+2 Modell“ jedoch den optionalen Abschluss eines zweijährigen Anschlussvertrages vor. Dies wiederum steht im klaren Widerspruch zu Art. 18 Abs. 2 des FIFA Reglement, wonach die maximale Laufzeit eines Vertrages nur drei Jahre betragen darf. Eine über diesen Zeitraum hinausgehende vertragliche Bindung ist unzulässig.

So schön so gut.

Die gelebte Vertragspraxis der Bundesligavereine sieht ein wenig anders aus.

Zum einen ist es ständige Praxis und ein natürliches Anliegen der Vereine, die in die Ausbildung eines Spielers getätigte Investition durch eine möglichst lange vertragliche Bindung gegen den Zugriff anderer Vereine zu schützen. Vertragslaufzeiten mit Jugendspielern über die eigentlich zulässige Dauer von 3 Jahren hinaus (siehe Fall Sinan Kurt), sind also eher die Regel.

Zum anderen beginnt die professionelle Spielerförderung immer früher. Junge Talente müssen aus Sicht der Vereine frühzeitig erkannt, und was noch viel wichtiger ist, vor der Abwerbung durch andere Vereine gesichert werden. Spielerberater sind mittlerweile häufige Besucher auch im Juniorenbereich.

Die Vereine stehen nun vor dem Dilemma, dass sie offiziell Förderverträge mit den Jugendspielern erst ab Vollendung des 15. Lebensjahres schließen und dem DFB melden können. Sie meinen dieses Problem durch den Abschluss eines Art „Schubladenvertrages“ umgehen zu können. Mit einem Jugendspieler, der das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, also z.B. einem Zwölfjährigen wird ein Fördervertrag geschlossen, der zwar von den Eltern und dem Jugendlichen sowie dem Verein unterschrieben, aber nicht mit dem tatsächlichen Datum versehen oder eben auf den Tag vordatiert wird, zu welchem dieser Vertrag nach den Regularien des DFB geschlossen werden dürfte. Bis zu diesem Datum schlummert der Vertrag dann in der Schublade des Vereins.

Über die vertraglichen und rechtlichen Konsequenzen die sich aus diesem Schubladenvertrag für den Spieler nun tatsächlich ergeben, wird dieser häufig im Unklaren gelassen. Vertragsexemplare ungern an den Spieler oder dessen Berater herausgegeben. Äußert der Spieler nun aber Wechselgelüste, wird von Vereinsseite auf die Bindungswirkung des Vertrages verwiesen.

Klar ist, dass diese Vertragspraxis sowohl einen Verstoß gegen § 22 Abs. 7.1 der Spielordnung des DFB, als auch gegen Artikel 18 Abs. 2 des FIFA Reglements darstellt. Aber was ist die Folge?

Die Verträge könnten nach § 134 BGB nichtig sein, wenn es sich bei den DFB oder FIFA Regularien um ein gesetzliches Verbot handelt. Ob die DFB Statuten ein gesetzliches Verbot darstellen, ist in der Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt.

Der Abschluss eines solchen Fördervertrages und dessen Befolgung könnten jedoch auch einen Verstoß gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) darstellen. Nach § 5 Abs. 1 JArbSchG ist die Beschäftigung von Kindern – wer noch nicht 15 Jahre alt ist – verboten. Maßgeblich ist allein, dass das Kind tatsächlich beschäftigt wird. Ein darauf gerichteter Arbeitsvertrag wäre nach § 134 BGB nichtig.

Rechtlich betrachtet werden die Verträge, also in der Regel ein dreijähriger Fördervertrag nebst einem zweijährigen Anschlussvertrag, unter der aufschiebenden Befristung (§§ 158 Abs.1, 163 BGB) des Erreichens des abschlussfähigen Alters des Spielers geschlossen. Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer solchen Befristung ist auf den Zeitpunkt der Vornahme abzustellen. Wird der vordatierte Fördervertrag faktisch bereits gelebt, also erfüllt, was der Regelfalls sein dürfte, so stellt sich der befristete Vertrag wegen Verstoßes gegen § 5 JArbSchG als unwirksam dar.

Die Erfahrung zeigt, dass sich die Vereine dieser rechtlichen Bewertung nicht kampflos fügen. Es verbleibt eine gewisse Rechtsunsicherheit. Zum Wohle der positiven Entwicklung des jungen Spielers und zur Vermeidung von Konflikten mit dem Verein, sollten Förderverträge erst ab dem zulässigen Mindestalter abgeschlossen werden. Dann aber gilt der Grundsatz: pacta sunt servanda.

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