Über 14 Millionen Zuschauer sahen vor Fernsehgeräten am Mittwochabend das Spiel des UEFA Champions League Halbfinales vom FC Barcelona gegen den FC Bayern. Wahrscheinlich sah auch ungefähr diese Zuschauerzahl die eindrucksvolle Kampagne der UEFA „Say no to racism“, die kurz vor dem Spiel zu sehen war. In dieser sagen verschiedene internationale Fußballspieler wie Cristiano Ronaldo oder Arjen Robben ein deutliches Nein zum Rassismus in ihrer Landessprache. Die Kampagne zeigt, wie geeignet der internationale Fußball als Plattform ist, um auf bestehende Missstände aufmerksam zu machen.

Guardiola und #JusticiaParaTopo

Dass die UEFA jedoch nicht uneingeschränkt mit solchen Meinungsbekundungen einverstanden ist, zeigte sich unlängst am Beispiel von Pep Guardiola, dem Trainer des FC Bayern München. Dieser trug auf der Pressekonferenz vor dem Viertelfinalhinspiel der UEFA Champions League gegen den FC Porto ein vermeintlich harmloses T-Shirt mit der Aufschrift „#JusticiaParaTopo“, übersetzt „Gerechtigkeit für Topo“. Gemeint ist der Journalist Jorge Topo López, ein argentinischer Berichterstatter während der WM 2014. Dieser sollte über das Halbfinale zwischen Argentinien und den Niederlanden berichten. Am Vorabend verstarb er. Das Taxi, in dem er saß, wurde von einem Auto gerammt, welches wiederum von der Polizei verfolgt wurde. Der genaue Unfallhergang ist bis heute ungeklärt, die Ermittlungen gehen bisher äußerst schleppend voran.

Guardiola hatte das T-Shirt von der Familie des Verstorbenen erhalten und es bewusst am Tag der Pressekonferenz angezogen. Ihm drohen nun disziplinarische Konsequenzen, da gemäß Artikel 11 Absatz 2c der Rechtspflegeordnung der UEFA „sportfremde Manifestationen“ bei UEFA-Veranstaltungen untersagt sind. Die Verhandlung von der Disziplinar- und Kontrollkommission ist für den 21. Mai angesetzt.

Vor dem Hintergrund, der Guardiola dazu veranlasste, das T-Shirt zu tragen, erscheint die Maßnahme der UEFA äußerst unangemessen. Die Frage ist, ob der Weg, alle Meinungsäußerungen nicht-sportlicher Natur zu verbieten, der richtige ist.

Ein Vorbild am DFB nehmen

Auf den ersten Blick ist es verständlich, dass die UEFA ein berechtigtes Interesse daran hat, keine Plattform für sportfremde Meinungsbekundungen zu sein. Den internationalen Fußballverbänden liegt es bekanntermaßen daran, sich aus derartigen Diskussionen möglichst weitestgehend herauszuhalten, da es nicht ihre primäre Aufgabe ist, derartige Debatten anzustoßen.

Ein Generalverbot geht dennoch zu weit und stellt das Selbstverständnis der UEFA in Frage. Liegt ihr wirklich so viel an Toleranz in Sport und Gesellschaft, wie es auch durch die Anti-Rassismus Kampagne vorgelebt wird, sollte es ihr möglich und in ihrem Interesse sein, im Einzelfall auf disziplinarische Maßnahmen zu verzichten. Sie könnte sich ein Vorbild am Deutschen Fußball-Bund (DFB) nehmen. Auch dieser sieht generell keinen Platz für sportfremde Meinungsbekundungen im Rahmen ihrer Veranstaltungen. Als der Spieler Haris Seferovic von Eintracht Frankfurt Ende letzten Jahres beim Torjubel ein T-Shirt in Andenken an die verstorbene Tugce Albayrak zeigte, verzichtete der DFB entgegen seinem Regelwerk „wegen Besonderheiten des Einzelfalls“ auf jegliche Ermittlungen. Es gibt also Alternativen zu einer starren Befolgung des Regelwerks.

Wem nützt das Verbot?

Eine weitere Frage die sich unmittelbar aufdrängt, ist die danach, wem ein uneingeschränktes Verbot ohne Abwägungsmöglichkeiten in Einzelfällen in Wirklichkeit nützt. Die UEFA jedenfalls charakterisiert sich durch die Aufnahme von Ermittlungen gegen Guardiola als intoleranter Verband, dem Regeln wichtiger sind als nachvollziehbare menschliche Reaktionen auf Unglücksfälle. Außerdem wurde die mediale Aufmerksamkeit auf internationaler Ebene erst durch die unangemessene Reaktion der UEFA auf die Aktion von Guardiola forciert. Hätte Guardiola keine Strafe zu erwarten, hätten sich nicht etliche Artikel mit dem Hintergrund seiner T-Shirt Botschaft befasst.

Insofern nutzt das Verbot dem vermeintlichen Täter mehr als dem vermeintlichen Opfer. Auch wenn Guardiolas Verstoß disziplinarrechtlich geahndet werden wird, wird er mit einer Geldstrafe oder einer Ermahnung, wie es Artikel 6 vorschreibt, davonkommen.

Wer die Regeln brechen will, bricht sie

Es bleibt festzuhalten, dass der UEFA ein legitimes Interesse zuzugestehen ist, nicht von sportfremden Meinungsäußerungen auf ihren Veranstaltungen überflutet zu werden. Sicherlich ist es dann der einfachste Weg, jegliche Meinungsäußerungen in dieser Richtung zu verbieten. Der leichteste Weg ist jedoch in diesem Fall nicht der beste Weg. Die UEFA tritt als apathischer Verband auf, während der mediale Fokus sowohl auf die unangemessene Reaktion als auch auf die Meinungsbekundung als solche im Rahmen der UEFA-Veranstaltung gerichtet wird, was der Verband gerade zu verhindern sucht. Aufgrund von geringen Strafandrohungen werden die Akteure auch weiterhin sportfremde Bekundungen äußern, wenn sie es für richtig erachten. Fingerspitzengefühl in künftigen Entscheidungen könnte die UEFA zumindest in einem besseren Licht erscheinen lassen.

 

 

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