Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat Ermittlungen aufgenommen, nachdem bei der Partie im DFB-Pokal zwischen dem gastgebenden VfL Osnabrück und RB Leipzig Schiedsrichter Martin Petersen in der 71. Minute von einem Feuerzeug am Kopf getroffen wurde. Dieser brach daraufhin das Spiel beim Stand von 1:0 für Osnabrück ab. Über die Wertung des Spiels und sportrechtliche Sanktionen gegen den VfL Osnabrück wird nun das DFB-Sportgericht entscheiden.
Wann darf ein Schiedsrichter das Spiel abbrechen?
Da ein Spielabbruch die drastischste Möglichkeit des Schiedsrichters ist, auf das Fehlverhalten von Zuschauern zu reagieren, stellt sich zunächst die Frage, unter welchen Umständen ein Spielabbruch gerechtfertigt sein kann. Laut Regel 5 der DFB-Fußball Regeln (Seite 41, Nummer 10) kann ein Schiedsrichter ein Spiel abbrechen, „nachdem alle zumutbaren Mittel, das Spiel fortzusetzen, erschöpft sind“. Unter anderem äußere Einflüsse wie das Verhalten der Zuschauer und ein tätlicher Angriff gegen den Schiedsrichter können einen Grund für einen Spielabbruch darstellen. Eine genaue Definition aller „zumutbaren Mittel“ gibt das Regelwerk des DFB indes nicht her.
Die Erwägung eines Spielabbruchs ist daher situationsabhängig und stark vom subjektiven Empfinden des Schiedsrichters geprägt. Laut Herbert Fandel, dem Vorsitzenden der Schiedsrichterkommission, war der Spielabbruch „die logische und notwendige Konsequenz“. Es wäre jedoch auch möglich gewesen, dass der Vierte Offizielle als Schiedsrichter eingesprungen wäre und die Begegnung somit hätte fortgesetzt werden können.
Dass sich Schiedsrichter Martin Petersen dagegen entschied, hängt vermutlich mit dem Verhalten der Osnabrücker Fans während des gesamten Spiels zusammen. In einem Statement des Trainers des RB Leipzig, Ralf Rangnick, spricht dieser von fortwährenden Würfen von Feuerzeugen, Trinkbechern und anderen Wurfgegenständen in Richtung der Spieler seiner Mannschaft. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass diese Aktionen durch die Ordnungskräfte im Stadion hätten unterbunden und die Situation hätte beruhigt werden können. Diese Möglichkeiten lotete Martin Petersen wahrscheinlich während der 30 Minuten aus, nach denen er sich zum Spielabbruch entschied. Herbert Fandel ist in seiner Einschätzung in diesem Fall recht zu geben.
Ein Wiederholungsspiel als Konsequenz?
Am heutigen Morgen bot RB Leipzig dem VfL Osnabrück prompt ein Wiederholungsspiel an. Sicherlich eine faire, edle Geste und ein vor allem imagetechnisch intelligenter Schachzug. Der Verein zeigt medienwirksam, dass er nicht am grünen Tisch, sondern durch sportlichen Wettkampf gewinnen will.
Nützen wird das Angebot jedoch wenig, da das DFB Sportgericht über den weiteren Verlauf entscheidet. Zwar besagt Regel 7 der DFB-Fußball Regeln, dass ein abgebrochenes Spiel wiederholt wird, jedoch nur, „sofern die Wettbewerbsbestimmungen nichts anderes festlegen“. Aus § 18 Abs. 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB (RuVo) ergibt sich, dass ein Spiel als 0:2 Niederlage für diejenige Mannschaft gewertet wird, die das Verschulden am Spielabbruch trifft. Nach § 9a Abs. 1 RuVo haften Vereine unter anderem für das Verhalten ihrer Anhänger und der Zuschauer. Da das Feuerzeug aus dem Osnabrücker Block geworfen wurde, muss sich der Verein dieses Fehlverhalten zurechnen lassen. Ein Wiederholungsspiel erscheint unter diesem Aspekt unwahrscheinlich, auch wird das Sportgericht RB Leipzigs Angebot nicht in seine Bewertung mit einfließen lassen.
Bereits in der Vergangenheit führten geworfene Gegenstände zu Spielabbrüchen. 2011 wurde die Bundesligapartie zwischen dem FC St. Pauli und Schalke 04 beim Stand von 0:2 in der
87. Minute abgebrochen, nachdem Schiedsrichter-Assistent Thorsten Schiffner von einem Hamburger Fan mit einem vollen Bierbecher am Kopf getroffen wurde. 2006 war das Zweitrundenspiel des DFB-Pokals zwischen den Stuttgarter Kickers und Hertha BSC ebenfalls beim Stand von 0:2 wegen desselben Vorfalls abgebrochen worden. Beide Partien wurden im Anschluss mit 2:0 für Schalke 04 bzw. Hertha BSC gewertet. Diese Entscheidungen sprechen gegen ein abweichendes Urteil im jetzigen Fall.
Nicht nur, dass dem VfL Osnabrück höchstwahrscheinlich mehr als 260.000 € an Einnahmen für den Einzug in die zweite Pokalrunde entgehen werden, er hat darüber hinaus auch eine Geldstrafe durch den DFB zu erwarten. § 7 RuVo ordnet für „schuldhaftes Herbeiführen eines Spielabbruchs“ eine Geldstrafe von bis zu 100.000 € an. Diese bemisst sich unter anderem danach, ob ein Verein bzw. seine Fans schon in Vergangenheit negativ aufgefallen sind. Der Verein besitzt jedoch die Möglichkeit, die Verbandsstrafe durch den DFB auf den Zuschauer insoweit abzuwälzen, als dass dessen Verhalten für die Geldstrafe ursächlich gewesen ist.
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