Der Blog Metronaut veröffentlichte kürzlich eine Plakatreihe der Olympischen Spiele von 1936 in Berlin, die jedoch mit dem aktuellen Kampagnen-Motto „Wir wollen die Spiele – Berlin für Olympia“ anlässlich der Olympiabewerbung des Landes Berlin für das Jahr 2024 versehen waren. Gleichzeitig wurde in dem Beitrag behauptet, Stefan Thies, der Sprecher der Olympia-Kampagne, habe sich zu diesen Plakaten auf eine bestimmte Art und Weise geäußert und deren Verwendung insbesondere gerechtfertigt.

Metronaut wurde daraufhin, von einer Privatperson, aller Wahrscheinlichkeit nach Herr Thies, und dem Land Berlin sowie dem Senat von Berlin unter Fristsetzung bis 18 Uhr desselben Tages zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hinsichtlich der Verbreitung dieses Beitrages aufgefordert. Nachdem Metronaut den Beitrag und die Plakatmotive zunächst ganz aus dem Blog entfernt hatte, finden sich nun wieder eine zensierte Fassung des Blogbeitrages sowie die Plakatmotive in unzensierter Form auf dem Blog, begleitet von der Kampfansage, man werde keine Unterlassungserklärung abgeben.

Die öffentliche Empörung war groß, gilt doch eigentlich der Grundsatz „Satire darf alles“, oder nicht? Schnell kam der Vorwurf der Zensur, nicht nur aus der Ecke von Metronaut. Wie nervös müsse das Land Berlin sein, dass so schnell und so hart auf einen Blogbetreiber losgegangen wird? Weitläufig wurde dann die Frage gestellt und auch von Kollegen thematisiert:

Was darf Satire?

Die Frage ist jedoch nicht so sehr, was darf Satire? Die Antwort hierauf wäre relativ leicht: (fast) alles. Die Satire steht unter dem Schutz der grundrechtlich geschützten Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG. Eine künstlerische Bewertung hat zu unterbleiben. Eine gewisse Verfremdung als der Stilmittel reicht aus, wenn es sich um Aussagen im geistigen Meinungskampf handelt. Die Gewährleistung der Kunstfreiheit findet nur dort ihre Grenze, wo ihre Ausübung unmittelbar mit anderen durch das Grundgesetz gewährleisteten Grundwerten, wie der Würde des Menschen oder dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit kollidiert. Dies ist eine Abwägungsfrage.

Der Vorwurf in den Abmahnungen ging aber in eine etwas andere Richtung. Darin wurde insbesondere als unwahre Tatsachendarstellung gerügt, dass Herr Thies in der dargestellten Art und Weise sich zu den „manipulierten“ Plakatmotiven geäußert habe, und dass der unzutreffende Eindruck erweckt werde, bzw. sogar behauptet werde, bei diesen Plakaten handele es sich tatsächlich um die offiziellen Olympia-Kampagnen-Motive.

Hierbei handelt es sich jedoch um die letztlich vom Gericht zu entscheidende eigentliche Frage, nämlich ob der Beitrag in seiner Gesamtheit überhaupt als Satire erkennbar war?

Voraussetzung hierfür ist, dass der Beitrag für den Leser in einer möglichen Deutungsvariante als Satire erkennbar ist. Welche Maßstäbe hier anzuwenden sind, ob also die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Zweifelsregel, wonach die Gerichte bei mehreren möglichen Deutungsvarianten einer satirischen Äußerung derjenigen den Vorzug zu geben haben, die nicht zur einer Verurteilung führt, auch im Bereich des Unterlassungsanspruchs in dieser Form Anwendung findet, ist nicht ganz klar.

Wird jedoch eine Herkunftstäuschung hervorgerufen, also dem Betroffenen etwa ein erfundenes Zitat in satirischer Absicht und in einer Weise in den Mund gelegt, dass der zwingende Eindruck entsteht, es stamme tatsächlich von ihm, dann enthält die Satire im Ergebnis eine unwahre Tatsachenbehauptung, die sie als solche gegen sich gelten lassen muss.

Metronaut behauptet nun, der Beitrag sei klar als Satire gekennzeichnet gewesen. Tatsächlich findet sich am Ende des Beitrags der in sehr kleiner Schrift gehaltene Hinweis:

Satire

Ob dieser angesichts seiner Platzierung und Größe von den Lesern zur Kenntnis genommen wurde, darf eher bezweifelt werden. Jedenfalls sprechen die sich an den Beitrag anschließenden Kommentare eher dagegen. Dort scheint die Mehrzahl der Kommentatoren die Kampagne tatsächlich als die offizielle des Landes Berlin zu verstehen.

Nach dem vom Bundesverfassungsgericht in einer Vielzahl von (leider nicht immer einheitlichen) Entscheidungen gestärkten Verständnis der Tragweite des Grundrechtes aus Art. 5 Abs. 3 muss es für die Annahme des satirischen Charakters des Beitrages nebst der Plakatmotive jedoch als ausreichend angesehen werden, dass jedenfalls ein Teil der Leser diese als solche erkennt. Die Absurdität der aufgestellten Behauptungen und der verwendeten Motive (sollte) eigentlich keine andere Schlussfolgerung zulassen.

Es ist letztlich eine, wie so häufig im Presserecht, schwer zu treffende Einzelfallentscheidung. Der satirische Charakter des Beitrags ist ihm nicht so deutlich auf die Stirn geschrieben, wie in anderen Fällen. Bedeutung könnte der Privatperson Herrn Thies im verfahren zukommen. Welchen Aussagen tatsächlich und in welchem Kontext getätigt wurden, wird zu überprüfen sein. Als ein das Unrechtsregime des Nationalsozialismus Verharmlosender dargestellt zu werden, würde jedenfalls einen schweren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen, dem die Satire als Kunstform wohl zu weichen hätte.

Es bleibt spannend…