Seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) zum 1.1.2015 herrschte bei Breitensportvereinen und Amateurligisten Unsicherheit über die Frage, ob Amateure und Vertragsamateure im Sinne des § 8 der DFB-Spielordnung vom personellen Anwendungsbereich des MiLoG erfasst sind, oder nicht (siehe hierzu unseren Blogbeitrag vom 28.1.2015). Stein des Anstoßes ist der sprachlich weit gefasste § 22 Abs. 1 S. 1 MiLoG. Nach dieser Bestimmung haben alle Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 EUR brutto je Zeitarbeitsstunde. Ob Amateure bzw. Vertragsamateure als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind, häng nach der ständigen Rechtsprechung des BAG von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Hiernach sind

„Vertragsamateure […] Arbeitnehmer, wenn sie aufgrund der jeweiligen Vertragsgestaltung und -abwicklung ihre Leistungen für den Verein in einer für ein Arbeitsverhältnis typischen persönlichen Abhängigkeit erbringen, die über die bereits durch die Vereinsmitgliedschaft begründete Weisungsgebundenheit hinausgeht“.

Pauschalisierende Aussagen verbieten sich in diesem Zusammenhang, wie es die Worte des BAG mit Nachdruck verdeutlichen. Für die Fußballvereine der Amateurligen führte dies bisweilen zu erheblicher Rechtsunsicherheit bei der Einordnung und Bewertung der Rechtsbeziehungen zu ihren Spielern. Bei Bejahung einer Pflicht zur Zahlung des Mindestlohnes würden vielen Amateurligisten rasch die finanziellen Mittel ausgehen. Es wurde in der öffentlichen Diskussion sogar die Befürchtung geäußert, das MiLoG treibe „die Sportvereine in die Insolvenz – oder in die Illegalität.“ (Mindestlohn für Amateurkicker – Südbadens Sportvereine hadern, Online-Ausgabe der Badischen Zeitung vom 22.1.2015, abrufbar unter).

Obgleich die Bundesregierung das MiLoG erst bis April 2015 einer umfassenden Revision unterziehen wollte, scheint für das Problem bereits jetzt eine Lösung gefunden zu sein.

Am 23.2.2015 traf sich die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau Andrea Nahles, zu einer Krisensitzung mit DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel, dem für die Amateure zuständigen 1. DFB-Vizepräsidenten Dr. Rainer Koch sowie DOSB-Präsident Alfons Hörmann und DOSB-Generaldirektor Dr. Michael Vesper. Frau Nahles fasste die Ergebnisse des Gesprächs mit den DFB-Obersten wie folgt zusammen:

„Wir haben Lösungen gefunden. Die Zukunft der Vertragsamateure im deutschen Sport ist gesichert. Das zeitliche und persönliche Engagement dieser Sportler zeigt eindeutig, dass nicht die finanzielle Gegenleistung, sondern die Förderung des Vereinszwecks und der Spaß am Sport im Vordergrund stehen. Für diese Vertragsspieler ist folglich auch dann kein Mindestlohn zu zahlen, wenn sie mit einem Minijob ausgestattet sind. (Quelle)“

Die Bundesministerin hält das MiLoG auf Amateursportler somit für nicht anwendbar. Dieser Vorstoß scheint aufgrund der hitzigen Diskussion in den letzten Monaten durchaus verständlich. Zu fragen hat man sich dennoch: Sind damit die Unsicherheiten und Existenzängste der Amateurligisten tatsächlich verbindlich aus der Welt geschafft?

Die klare Antwort auf diese Frage lautet: Nein.

Das vom Bundestag verabschiedete MiLoG knüpft die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns an den Begriff des Arbeitnehmers. Das Gesetz enthält lediglich eine Ausnahme für ehrenamtlich Beschäftigte, die für Amateure und Vertragsamateure im Sinne des § 8 DFB-Spielordnung in der Regel nicht einschlägig sein wird. Das BAG hat den somit maßgeblichen Begriff des Arbeitnehmers seit seiner Einrichtung im Jahre 1953 fortlaufend konkretisiert und handhabbare Abgrenzungskriterien geschaffen, nach denen die Arbeitnehmereigenschaft eines Angestellten im Einzelfall bestimmt werden kann. An all dem kann kein Zweifel bestehen.

Auch die Stellungnahme der Bundesministerin ändert an den so gefundenen Ergebnissen in rechtlicher Hinsicht nichts. Die Auslegung der Gesetze ist Sache der Gerichte und nicht der Ministerin. Der Richter ist an Recht und Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG), im Übrigen unabhängig und frei von Weisungen (Art. 97 Abs. 1 GG), die Ministerin kann keine solchen Weisungen erteilen.

Der Gesetzgeber wird dennoch versuchen, in gewissem Umfang die Handhabung des Gesetzes durch die Gerichte im Vorfeld zu steuern. Daher hat es sich – obgleich nach dem Grundgesetz nicht verpflichtend – eingebürgert, dass der Gesetzgeber jedes neu geschaffene Gesetze vor seinem Inkrafttreten schriftlich begründet. Dem Rechtsanwender soll damit vor Augen geführt werden, welche Vorstellungen, Wertungen und Zwecke für das Gesetz in seiner konkreten Form maßgeblich waren. Auf diese Weise gelingt dem Gesetzgeber häufig eine partielle „Vorsteuerung“ der Gesetzesauslegung. Denn nicht selten werden sich Gerichte an den Gesetzgebungsmaterialien orientieren, wenn sie sich mit einer bisher nicht geklärten Rechtsfrage befassen.

Der mit der Materie vertraute Leser wird aber wissen: Der Gesetzgeber hat sich im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens zum MiLoG über die ggf. existenzbedrohenden Wirkungen der Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns für Breitensportvereine und Amateurligisten- soweit ersichtlich – keine Gedanken gemacht. Lediglich in der Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales (BT-Drucks. 18/2010, S. 15) findet sich der Hinweis, dass

 “die Koalitionsfraktionen […] mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales darin einig [seien], dass ehrenamtliche Übungsleiter und andere ehrenamtlich tätige Mitarbeiter in Sportvereinen nicht unter dieses Gesetz fielen. Von einer „ehrenamtlichen Tätigkeit“ im Sinne des § 22 Abs. 3 MiLoG sei immer dann auszugehen, wenn sie nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt sei, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Liege diese Voraussetzung vor, seien auch Aufwandsentschädigungen für mehrere ehrenamtliche Tätigkeiten, unabhängig von ihrer Höhe, unschädlich. Auch Amateur- und Vertragssportler fielen nicht unter den Arbeitnehmerbegriff, wenn ihre ehrenamtliche sportliche Betätigung und nicht die finanzielle Gegenleistung für ihre Tätigkeit im Vordergrund stehe.“

Dieser Hinweis ist insoweit zutreffend, als dass eine Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns schon nach dem Gesetz nicht besteht, wenn es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um eine ehrenamtliche Tätigkeit handelt, § 22 Abs. 3 MiLoG. Freilich verbietet sich aber auch vor diesem Hintergrund jede schematische Betrachtung, wie sie die Bundesministerin in ihrer Stellungnahme kommuniziert hat. Denn auch für die Abgrenzung von Arbeitsverhältnis und Ehrenamt hat das BAG (vgl. nur Urt. v. 27.8.2012 – Az.: 10 AZR 499/10) bestimmte Kriterien entwickelt, an denen der Gesetzgeber lediglich durch gesetzliche Erweiterung des Begriffs „Ehrenamt“ für die Zwecke des MiLoG etwas hätte ändern können. Versäumt er dies, so besteht zu einer gespaltenen Auslegung kein Anlass.

Zu bedenken gilt es auch, dass die maßgeblichen Beweggründe für die derzeit geführte Diskussion, namentlich die immensen finanziellen Belastungen für Amateurligisten, sich als erst nachträglich zu Tage getretene Unzulänglichkeiten des MiLoG darstellen, welche die Bundesministerin nun zu bereinigen versucht. Hat sich der Gesetzgeber über eine bestimmte unliebsame Folge bei den parlamentarischen Beratungen aber keinerlei oder nur unzureichende Gedanken gemacht, so hat er sich hierüber auch keinen (abschließenden) Willen bilden können, weshalb es an einem für die Auslegung maßgeblichen Anknüpfungspunkt fehlt. Sicher steht es dem Gesetzgeber frei, den Begriff des Arbeitnehmers ausdrücklich im Gesetz selbst einzuengen oder – wie es das MiLoG für Praktikanten vorsieht – durch gesetzliche Fiktionen zu erweitern. Missbilligt ein Bundesminister allerdings nach Abschluss des parlamentarischen Gesetzgebungsvorgangs eine mit dem Gesetz einhergehend tatsächliche Folge, so gibt dies für die Gerichte noch keinen verbindlichen Anlass, die in der Rechtsprechung entwickelten Konturen der entscheidenden Rechtsbegriffe (hier: Arbeitnehmer, Ehrenamt) zu modifizieren.

Fazit: Letzte Sicherheit besteht auch nach der Stellungnahme der Arbeitsministerin nicht. Wer nach der Rechtsprechung des BAG Arbeitnehmer ist, bleibt auch Arbeitnehmer! Hierauf hat die Ministerin keinen Einfluss. Daher werden die Gerichte weiterhin anhand der vom BAG entwickelten Kriterien zu prüfen haben, ob für Amateure oder Vertragsamateure ein Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns besteht, auch wenn dies wirtschaftlich missbilligte Folgen und erhebliche Rechtsunsicherheit nach sich ziehen wird. Abhilfe kann nur das Parlament selbst schaffen. Vorzugswürdig wäre es daher gewesen, dies Problem bereits im Gesetzgebungsverfahren abschließend zu erörtern. Nachträgliche Korrekturversuche durch Stellungnahmen der für das Gesetz mitverantwortlichen Bundesminister sind für die Entscheidungspraxis der Gerichte freilich ohne Bedeutung!