Dieses Jahr passierte das Peloton der Tour de France die Pyrenäen – Abfahrt des Portet d’Aspet. Auf dieser Etappe kam vor 20 Jahren der Italienische Radfahrer Fabio Casartelli ums Leben. Der Olympiasieger von Barcelona prallte während eines Sturzes gegen eine Steinmauer und starb im Alter von nur 24 Jahren. Besonders Radrennen und Motorsport sind für ihr Unfallrisiko bekannt. Was hat das mit Recht zu tun? Ganz einfach: wer haftet bei Unfällen in solchen Rennen?

Wenn es während einer Sportveranstaltung wie der Tour de France zu einem Unfall kommt, bewegen sich die sportrechtlichen Entscheidungen in einem Spannungsfeld zwischen Eigenverantwortlichkeit der Fahrer und gebotenen Sorgfaltspflichten Dritter. Nicht jeder Sturz eines Fahrers führt zu einer Haftung. Der Sportler kann nicht vor den typischen Gefahren geschützt werden, die mit der jeweiligen Sportart einhergehen. In Ausübung seines Sports trägt der Athlet ein gewisses Maß an Risiko, das vorbehaltlich der sozialen Fürsorge von ihm selbst verantwortet wird.

Neben der Verantwortlichkeit der Sportler trägt der Veranstalter die Aufgabe zur planmäßigen Durchführung des Wettkampfes. Dabei ist der Veranstalter sowohl den Zuschauern, als auch den Sportlern gegenüber zur Sicherheit verpflichtet.

Zur Frage der Haftung des Veranstalters ist das Vorliegen einer konkreten Handlung oder das Unterlassen einer Handlung (außer Acht lassen der erforderlichen Verkehrssicherungspflicht) ausschlaggebend. Im Zentrum der Haftung steht hier die Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB:

„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet.“

Die Verantwortung des Veranstalters gegenüber den Sportlern

Regelmäßig besteht zwischen dem Organisator einer Sportveranstaltung und dem Sportler ein Schuldverhältnis in Form einer Teilnehmervereinbarung (Teilnehmer – AGB). Häufig finden sich zur Frage der Haftung dahingehende Formulierungen, dass der Veranstalter für sämtliche Schäden am Material oder an der Gesundheit des Sportlers nicht haftet. Solche Klauseln sind aber grundsätzlich nur dann wirksam, wenn der Veranstalter bestimmte Sicherheitsmaßnahmen einhält.

Abwehr möglicher Gefahren

Bei der Ausübung einer Sportveranstaltung wie der Tour de France treffen den Veranstalter so genannte Verkehrssicherungspflichten. Der Inhalt und Umfang richtet sich danach, was der Rechtsverkehr (Sportler, Zuschauer, Helfer) an Sicherheitsmaßnahmen erwarten kann.

Eine Haftung des Veranstalters kommt zunächst nur in Frage, wenn er die Verkehrssicherungspflicht verletzt. So ist der Veranstalter eines Radrennens dazu verpflichtet, die Teilnehmer vor einem Zusammenstoß mit querenden Zuschauern zu schützen (OLG Stuttgart, Urteil v. 29.6.1983 – 1 U 52/83). Auch trifft dem Veranstalter die Pflicht, gefährliche Stellen sowie enge Kurven abzupolstern, um das Verletzungsrisiko bei einem Sturz zu verringern (BGH, Urteil v. 29.4.1986 – VI ZR 227/85).

Die Unfallursache des Radfahrers Fabio Casartelli ging auf eigenverantwortliches Handeln des Sportlers zurück. Zwar passierte der Sturz in einer Abfahrt, was durchaus eine besondere Gefahrenstelle ist, allerdings zählt dieses zu den sportarttypischen Gefahren, auf die sich ein Sportler selbstverantwortend einlässt. Wofür der Veranstalter keine Haftung tragen kann, ist die Selbsteinschätzung der Sportler. Auch kann der Veranstalter nicht für eine 100%ige Verkehrssicherheit sorgen.

Die Verantwortung der Volontäre

Zur Durchführung einer Sportveranstaltung sind regelmäßig Helfer oder Volontäre im Einsatz. Juristisch handelt es sich dabei um Verrichtungsgehilfen, die vom Veranstalter eingesetzt werden und Aufgaben übertragen bekommen. Macht der Verrichtungsgehilfe einen Fehler der zu einem Unfall führt, stellt sich die Frage wer haftet. Gemäß § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB wird für den Verrichtungsgehilfen wie folgt gehaftet:

„Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt (…).“

Demnach haftet zunächst der Veranstalter für das Verhalten der durch ihn eingesetzten Helfer. Diese Haftung tritt ein, wenn der Helfer in Ausübung seiner Aufgabe eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begeht. Dem Veranstalter trifft jedoch keine Schuld, wenn er beweisen kann, dass er seine Gehilfen mit bester Sorgfalt ausgewählt, instruiert und Überwacht hat.

Neben der Sicherheit der Sportler, hat der Veranstalter gleichermaßen für die Sicherheit der Besucher zu sorgen.

Die Verantwortung des Veranstalters gegenüber den Zuschauern

Die Verkehrssicherungspflicht gegenüber den Zuschauern wird von dem Rechtsgedanken hergeleitet, wonach der Veranstalter eines Sportereignisses einen Zustand herbeiführt, wovon für den Zuschauer eine Gefährdung ausgeht. Ausschlaggebend ist, dass der Veranstalter in Abhängigkeit von der Art der Sportveranstaltung und dem Grad der dadurch ausgehenden Gefährdung die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen trifft, die einen Schadenseintritt ausschließen. Auch hier wird es keine 100%ige Verkehrssicherheit geben können. Der Zuschauer trägt ein gewisses Maß an sozialer Selbstverantwortung.

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist beispielsweise gegeben, wenn der Zuschauerbereich nicht ausreichend abgesichert ist. Der Veranstalter eines Radrennens hat dafür Sorge zu tragen, dass Zuschauer sich nicht in Gefahrenbereichen aufhalten. Im Rahmen eines Radrennens wurde ein Zuschauer durch das Rad eines gestürzten Fahrers tödlich getroffen. Nach Ansicht des Gerichts befand sich der Zuschauer in einem Risikobereich, der nicht hätte zugänglich sein dürfen. Der Veranstalter hatte sich wegen Fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB), durch außer Acht lassen der Verkehrssicherungspflichten zu verantworten (LG Waldshut-Tiengen, Urteil v. 12.9.2000 – Ns 22 Js 6046/98).

Haftung des Sportlers

Bei Individualsportarten, wie Skisport, Leichtathletik, Triathlon, Motorsport und Radsport, kämpft jeder Sportler für seinen eigenen Vorteil. Dieses hat, nicht alleine zur Minimierung des Risikos, innerhalb der Regelwerke zu geschehen. Werden einem anderen Sportler innerhalb eines Wettkampfs Verletzungen zugefügt, die Sportausübung aber im Rahmen der Regeln liegt, scheidet eine Haftung des Verletzers aus (z.B. Boxkampf). Der Wettkampfteilnehmer nimmt derartige Verletzungen in Ausübung seines Sports in Kauf.

Eine Schadensersatzpflicht gegenüber einem anderen Sportler kann nur dann gegeben sein, wenn ein schuldhafter Verstoß gegen ein Regelwerk vorliegt, womit einem Wettkampfteilnehmer ein Schaden zugefügt wird. Bei Radrennen werden die Wettkampfbestimmungen auf nationaler Ebene durch den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) normiert. Das Reglement der Tour de France wird aufgrund der World Tour Lizenz von der Union Cycliste Internationale (UCI) bestimmt. So ist es beispielsweise im Zielsprint untersagt, von seiner Fahrlinie abzuweichen. Geschieht dies doch und kommt dadurch ein anderer Sportler zum Sturz, treffen der Verursacher aufgrund des Regelverstoßes nicht nur Verbandsinterne Sanktionen. Er ist aufgrund des eingetretenen Schadens auch zu einem zivilrechtlichen Schadensersatz verpflicht.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass sich ein Organisator von Sportveranstaltungen aller möglichen Gefahren bewusst sein muss, die durch die Veranstaltung entstehen könnten. Neben Gefahren die für die Teilnehmenden Sportler entstehen, sind auch sämtliche Gefahren der Zuschauer und Helfer auszuschließen. Die zu ergreifenden Maßnahmen sind durch Unfallverhütungsvorschriften, Veranstaltungsgenehmigungen, sowie den Auflagen der jeweiligen Wettkampfbestimmung konkretisiert. Zur Wahrung der Verkehrssicherung gilt es eine auf die sportartbezogene Gefahrenprognose anzustellen, um diesbezügliche Vorkehrungen treffen zu können. Für Sportler gilt die Rechtspflicht sich so zu verhalten, dass andere nicht gefährdet werden. Der Umfang der anzuwendenden Sorgfalt bestimmt sich nach den jeweiligen Regelwerken, denen die Sportler im Wettkampf unterliegen.

 

Foto: © Depositphotos.com/razvanphoto