Ab dem 1.1.2015 gilt der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 EUR brutto. Hat das Auswirkung auf angestellte Fußballer? Grundsätzlich ja, aber man muss unterscheiden. Im Profifußball sind die Lizenzspieler nach herrschender Ansicht Arbeitnehmer des Vereins. Faktisch ist der Mindestlohn dort aber kein Thema, die Spieler sind Topverdiener.

Anders ist es im Amateurfußball. Die Süddeutsche Zeitung hat das Thema jüngst aufgegriffen. Danach herrscht bei den Amateurvereinen offenbar große Unsicherheit, wie mit dem Thema „Mindestlohn“ umzugehen ist:

Etliche Vereine der dritten Liga und der Regionalligen zahlen ihren Spielern 250 Euro im Monat, das ist die Mindestsumme für Spieler mit einem Vertrag. „Nach dem neuen Gesetz dürfen sie für diese Summe aber nur 29 Stunden arbeiten“, erklärt Ulf Baranowsky (Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballer – VDV)

Sind diese Befürchtungen berechtigt?

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, kurz: Mindestlohngesetz (MiLoG) ist der personelle Anwendungsbereich des Gesetzes auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränkt, denen in gewissem Umfang Praktikanten gleichgestellt werden. Da spezielle Regelungen für den Amateurfußball vom Gesetzgeber nicht vorgesehen sind, kommt es darauf an, ob Amateurfußballer Arbeitnehmer sind.

Bei der Antwort auf diese Frage sind die allgemeinen vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zu beachten. Danach ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zu weisungsgebundener Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.

Privatrechtlicher Vertrag:

Zwischen Verein und Spieler muss also ein Vertragsverhältnis bestehen. Dies ist nicht der Fall, wenn der Spieler Vereinsmitglied ist und nur aufgrund seiner Mitgliedschaft nach der Vereinssatzung zur Mitwirkung am Training und an Verbandsspielen verpflichtet ist. Anders ist es, wenn ein gesonderter Dienstvertrag zwischen Verein und Spieler besteht, wie es im Amateurfußball nicht selten der Fall ist (unser Kollege und Fachanwalt für Arbeitsrecht Christian Willert hat zu den Praxisfragen des Mindestlohngesetzes ein ausführliches Paper erstellt, die Top Ten: Fragestellungen und Antworten zu den Auswirkungen des Mindestlohngesetzes (MiLoG) für die betriebliche Praxis, siehe zum Thema: Frage 2).

Weisungsabhängigkeit:

Selbstständig und damit nicht Arbeitnehmer ist hingegen, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Der Vertrag zwischen Verein und Spieler muss den Spieler somit zur Leistung weisungsabhängiger Dienste in persönlicher Abhängigkeit vom Verein verpflichten. Hierin liegt der entscheidende Unterscheid zwischen einem Arbeitsverhältnis und einem „freien“ Dienstverhältnis.

Das BAG äußert sich dazu allgemein wie folgt:

Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. […] Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben, oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge. […] [Es kommt ]für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände an.

So weit so gut. Danach ist aber nun bei jedem konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die von einer bestimmten Person geleistete Arbeit selbstständig oder fremdbestimmt ist.

Nicht selbstständig ist, wer hinsichtlich der Arbeitsmodalitäten (Arbeitsart, -ort, -zeit) einem Weisungsrecht (§ 106 GewO) des Arbeitgebers unterliegt. Entscheidend ist hierbei, inwieweit dem Spieler nach dem Arbeitsvertrag Spielräume zur Ausgestaltung seiner Arbeitstätigkeit verbleiben. Zu beachten ist auch, dass der Grad der Abhängigkeit aufgrund der Art der jeweils geschuldeten Tätigkeit – hier: der Mitwirkung an Training und Spielen – zu beurteilen ist.

Des Weiteren von Relevanz ist der Grad der Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines Vereins, die Fremdnützigkeit der zu erbringenden Leistungen, die Verpflichtung zur persönlichen Dienstleistung oder etwaige Berichtspflichten gegenüber Vorgesetzten. Darüber hinaus kann für die persönliche Abhängigkeit sprechen, wenn der Spieler seine gesamte oder doch zumindest den überwiegenden Teil seiner Arbeitskraft dem Verein zur Verfügung stellt, oder ob ihm neben Training und Meisterschaftsspielen Zeit zur Ausübung weiterer Nebentätigkeiten verbleibt.

Mehr oder weniger irrelevant für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit ist die Bezeichnung des Vertrags durch die Parteien als „Arbeitsvertrag“, die Dauer des Vertragsverhältnisses, die Abführung von Steuern und Sozialabgaben durch den Verein oder die Gewährung von Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Sofern es sich um eine rein wirtschaftliche Abhängigkeit des Spielers handelt, ohne dass zugleich nach den oben genannten Kriterien persönliche Abhängigkeit gegeben ist, ist der Spieler kein Arbeitnehmer, sondern eine arbeitnehmerähnliche Person, die dem Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes nicht unterfällt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit dürfte bei einem monatlichen Salär von 250,00 EUR (siehe Beitrag SZ) aber eher nicht der Fall sein, wenn die Amateurkicker neben Training und Pflichtspiel weiteren Erwerbstätigkeit nachgehen, die ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage sichert.

Für den Amateurfußballer gilt daher Folgendes:

Zu berücksichtigen ist vorab, dass die Verhältnisse in jedem Verein anders sein können, ja sogar mit Blick auf jeden einzelnen Spieler. Daher ist der Amateurkicker, der sich vertraglich an den Verein bindet, weder grundsätzlich als Arbeitnehmer noch als Nicht-Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person anzusehen.

Speziell im Fußball ist aber § 8 der DFB-Spielordnung zu beachten. Dort wird unterschieden zwischen Lizenzspielern, Vertragsspielern und Amateuren.

Der Lizenzspieler spielt seinen Fußball aufgrund eines vom DFB lizenzierten Anstellungsvertrages mit dem Ligaverein; er ist in der Regel nicht Vereinsmitglied. Lizenzspieler sind nach der Rechtsprechung Arbeitnehmer.

Der Amateur wiederum ist lediglich aufgrund seiner Mitgliedschaft im Verein zur Teilnahme an Trainings- und Ligaspielen sowie Besprechungen verpflichtet; ein gesonderter Vertrag besteht in der Regel nicht. Dem Spieler wird meist nur eine pauschalierte Aufwandsentschädigung, derzeit 249,99 EUR (§ 8 Nr. 1 Spielordnung des DFB), nicht aber ein Entgelt für seine Tätigkeit gezahlt. Auch eine persönlich-soziale Abhängigkeit zum Verein besteht meist nicht. Das spricht dagegen, dass der „reine Amateur“ – freilich vorbehaltlich der jeweiligen Einzelfallumstände – Arbeitnehmer ist.

Der Vertragsspieler oder auch Vertragsamateur nimmt vor diesem Hintergrund eine Doppelrolle ein: Er ist sowohl nach dem Mitgliedschaftsverhältnis, als auch nach einem zwischen ihm und dem Verein bestehenden Vertrag zur Teilnahme an Spielen, Trainings-(lagern) und Besprechungen verpflichtet. Ihm wird – anders als dem Amateur – ein über den steuerrechtlich zulässigen Aufwendungsersatz hinausgehendes Entgelt für seine sportliche und sonstige Betätigung im Verein gewährt (derzeit nach § 8 Nr. 2 der DFB Spielordnung mindestens 250,00 EUR zzgl. Auslagenersatz). Bei der Bestimmung des Arbeitnehmerstatus von Vertragsamateuren ist aufgrund ihrer Doppelstellung darauf abzustellen, ob der Vertrag und seine tatsächliche Handhabung entweder durch die vereins-, oder die vertragsbedingte persönliche Abhängigkeit des Spielers geprägt wird. Überwiegt die Relevanz der vertraglichen Regelungen, handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis mit der Folge, dass das Mindestlohngesetz auf solche Vertragsamateure grundsätzlich Anwendung findet.

Das BAG formuliert wie folgt:

„Vertragsamateure […] sind Arbeitnehmer, wenn sie aufgrund der jeweiligen Vertragsgestaltung und -abwicklung ihre Leistungen für den Verein in einer für ein Arbeitsverhältnis typischen persönlichen Abhängigkeit erbringen, die über die bereits durch die Vereinsmitgliedschaft begründete Weisungsgebundenheit hinausgeht“.

Neben den vertraglichen Regelungen im Einzelfall sind bei der Einordnung der Vertragsverhältnisse zwischen Spielern und Verein unter Berücksichtigung der vorstehend angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung folgende Leitlinien zu beachten:

  •  Zur reinen Freizeitgestaltung ausgeübte sportliche Ertüchtigung ist nicht als „Arbeit“ im rechtstechnischen Sinne anzusehen. So liegt der Fall beim „reinen Amateur“. Freilich liegen die Dinge anders, wenn der Spieler neben der Freizeitgestaltung auch wirtschaftliche Interessen verfolgt. Indiz hierfür kann – wie beim Vertragsamateur üblich – eine Vergütungsabrede sein. Ihr Bestehen allein taugt indes nicht allein als Kriterium zur Abgrenzung. Ebenso kann es nicht maßgeblich auf die Höhe der gewährten Vergütung ankommen.
  • Hinzutreten muss eine persönliche Abhängigkeit aufgrund eines umfassenden vereinsseitigen Weisungsrechts. Dabei müssen die Weisungsbefugnisse maßgeblich auf vertraglicher Grundlage beruhen. Spielen in einem Verein etwa zugleich Vertragsamateure und reine Amateure, so darf die Verpflichtung beider Gruppen, den Weisungen des Trainers zu entsprechen bzw. an Teambesprechungen teil zunehmen, sich nicht bereits umfänglich aus der Vereinssatzung ergeben.
  • Von entscheidendem Gewicht ist schließlich, wie der Verein etwa mit Vertragsverletzungen verfährt. Kann der Spieler bspw. bei Terminkollisionen einem Training oder Ligaspiel bereits aufgrund einer schlichten Entschuldigung gegenüber dem Trainer fernbleiben, ohne dass dies vertragsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde, so spricht dies gegen eine besondere soziale Bindung zwischen Verein und Spieler und damit auch gegen den Arbeitnehmerstatus der Vertragsamateure.
  • Ferner kann eine unterschiedslose Gleichbehandlung von reinen Amateuren und Vertragsamateuren zur Annahme einer einheitlichen Statusbeurteilung in dem Sinne führen, dass es für alle Spieler an einer ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit fehlt.
  • In der Praxis ist zu berücksichtigen, dass bei Streitigkeiten zwischen Spieler und Verein über das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Entgeltanspruchs nach dem Mindestlohngesetz der Spieler im Prozess beweisen muss, dass es sich in concreto um ein Arbeitsverhältnis handelt.

Fazit:

Kicken im Verein kann Freizeit sein, muss es aber nicht! Abhängig von den Rechtsbeziehungen zwischen Spieler und Verein kann im Einzelfall ein dem Mindestlohngesetz unterfallendes Arbeitsverhältnis vorliegen. Für die Abgrenzung ausschlaggebend sind eine mit der sportlichen Betätigung jedenfalls auch einhergehende wirtschaftliche Zwecksetzung des Spielers auf der einen, und ein maßgeblich vertraglich begründetes, umfassendes Weisungsrecht des Vereins auf der anderen Seite. Eine Einzelfallprüfung ist unumgänglich.

Zugegeben: Die Rechtslage ist alles andere als eindeutig. Amateurvereine werden sicherlich mit der Einordnung der Vertragsverhältnisse ihre liebe Not haben. Der Gesetzgeber hat für zahlreiche Berufsgruppen im Gesetz besondere Reglungen vorgesehen und hätte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens konsequenterweise auch das Thema „Amateurfußball“ berücksichtigen können. Dies wurde aber versäumt. Die daraus entstehenden finanziellen Folgen für den Amateurfußball sind derzeit noch nicht prognostizierbar. Aufschluss werden erst der Umgang der Zollverwaltung mit dem Mindestlohngesetz und die sich hieraus ergebenden Rechtsstreitigkeiten geben können.

Für den Moment ist in guter Fußballmanier im Schlichten zu schließen:

„Ich habe fertig!“