Zehn Jahre nachdem der Wettskandal um Robert Hoyzer den deutschen Fußball erschüttert hat, nimmt der organisierte Wettbetrug neue Formen an. Um Sportwetten manipulieren zu können, ist man offenbar längst nicht mehr auf die Bestechlichkeit von Schiedsrichtern, Funktionären oder Spieler angewiesen. Die steigende Nachfrage, auf jedes noch so kleine Geschehnis wetten zu können, lässt Wettbetrüger kreativ werden.

In der globalen Welt, wo man das Gefühl hat, dank Internet mit jedem und allem vernetzt zu sein, scheint das Vortäuschen eines kompletten Fußballspiels undenkbar. Doch genau das ist Wettbetrügern zum wiederholten Male gelungen.

Laut den europäischen Wettbüros Bet365 und SBOBET, fand am 3. Februar 2015 ein Spiel zwischen den weißrussischen Erstligisten FK Sluzk und dem FK Schachzjor Salihorsk statt. Auf dieses Spiel wurden Wetten angenommen und es erfolgte sogar eine Berichterstattung per Live-Ticker. Dank zwei später Tore gewann FK Sluzk mit 2:1. Alles schien nach einem echten Spiel. Auf der vereinseigenen Webseite von FK Schachzjor Salihorsk fand sich sogar ein Spielbericht und die Buchmacher von SBOBET bestätigten das Endergebnis. Dennoch, das Spiel hat es offenbar nie gegeben.

Erfundene Spiele sind eine äußerst durchdachte und bis ins kleinste Detail geplante Sache. Die Betrüger lassen hierfür reale Teams antreten und erfinden Anstoßzeiten, Statistiken und Ergebnisse. Sie beauftragen einen Datenscout, der die Wettbüros mit Live-Spielinformationen versorgt. Bei der Vielzahl von Fußballspielen, die in verschiedenen Teilen der Welt, in unterschiedlichen Ligen und zu unterschiedlichen Zeiten oder gar parallel stattfinden, platzieren Wettbetrüger erfundene Spiele so, dass sie in der großen Masse an Angeboten untergehen. Dabei gehen sie so geschickt vor, dass sowohl illegale als auch legale Buchmacher auf sie hereinfallen.

Bisher sind vier Fälle von erfundenen Spielen bekannt. Drei davon fanden im vergangenen Jahr statt, was für eine zunehmende Tendenz spricht. Zuletzt kam es im August 2014 zu einem imaginären Freundschaftsspiel zwischen dem portugiesischen Verein Freamunde und dem spanischen Klub Ponferradina. Auch dieses Spiel hat in der Realität nie stattgefunden. Auch hier aber gab es Wettmöglichkeiten und einen Spielbericht auf den Vereinswebseiten.

In der Konstellation von Ghost Matches spielen Datenscouts die Schlüsselfigur. Sie sind die Verbindung zwischen den Wettbüros und dem Spiel. Ihre Aufgabe ist es, jede Spielsituation und jedes entscheidende Ereignis in Echtzeit an die Wettbüros zu schicken. Somit wird die Spielverfolgung per Live-Ticker ermöglicht, gleichzeitig wird somit aber auch die Möglichkeit von Live-Wetten geschaffen (Platzierung von Wetten auf aktuelle Spielereignisse). Um die Unabhängigkeit von Datenscouts zu gewährleisten, bleiben jene stets im Hintergrund. Doch ist es wahrscheinlich genau diese Anonymität, die den Weg zur Korruption ebnet. So ist es in der Vergangenheit bereits des Öfteren vorgekommen, dass Datenscouts ihre Live-Berichte so lange herauszögern, bis ein Komplize in der Zwischenzeit auf das bereits eingetretene, aber noch nicht veröffentlichte, Spielergebnis gewettet hat.

Funktionierende Kontrollsysteme lassen sich nur schwer installieren. Anhand von Quotenverläufen versucht man, Anomalien festzustellen. Somit bilden auffällig hohe Wetten einen Indikator für Wettbetrug. Zuletzt ist das Testspiel des VfB Stuttgart gegen einen albanischen Erstligisten, aufgrund von ungewöhnlichen Wettverhalten und auffällig hohen Quotenverläufen, unter Manipulationsverdacht geraten. Hier hatte das Datenauswertungssystem von Sportradar Alarm geschlagen, mit dem sich der DFB und die DFL gegen Wettbetrug schützen.

Wie man sich jedoch gegen freierfundene Spiele schützen will, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass die Kreativität von Wettbetrüger neue Maßstäbe erreicht hat und dass die anonyme Welt der Sportwetten in vieler Hinsicht einen geeigneten Nährboden für Betrüger bietet.

 

 

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