Sportverbände geraten zunehmend in die Kritik des Kartellrechts. Nicht zuletzt seit dem Fall Pechstein steht fest, dass Sportverbände eine Marktmacht innehaben, die es ihnen faktisch möglich macht einseitig Regeln durchzusetzen – sei es gegenüber Sportler oder Lizenzvereinen oder untergeordneten Verbänden – die man auf einem Markt mit natürlichem Wettbewerb nicht erwarten kann. Bereits der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass Sportverbände in vielen Fällen eine marktbeherrschende Stellung inne haben.

Nun hat sich auch die Europäische Kommission zur Marktmacht von Sportverbänden geäußert. Konkret geht es dabei um die Zulassungsbestimmungen der internationalen Eislauf-Union (ISU). Die EU-Kommission hat für die Märkte in Europa eine Überwachungsfunktion. Sie soll für einen fairen Wettbewerb sorgen und darauf achten, dass Kartelle ihre Marktmacht nicht für andere benachteiligend ausnutzen. Im Fall der ISU ist die EU-Kommission aufgrund von Zulassungsbestimmungen aktiv geworden,

welche Sanktionen für Sportler vorschreiben, die an Wettkämpfen teilnehmen, welche nicht von der ISU genehmigt sind. Solche Zulassungsbestimmungen verstoßen nach ersten Einschätzungen der EU-Kommission gegen internationales Kartellrecht.

Warum steht die ISU in der Kritik des Kartellrechts?

Die ISU ist der Dachverband für den Eiskunst- und Eisschnelllauf. Dabei ist die ISU der einzige vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannte internationale Eislaufverband. In ihr wiederum sind alle nationalen Eislaufverbände als Mitglieder organisiert. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist, dass die nationalen Verbände in die Zulassungsbestimmung der ISU einwilligen und diese an ihre Sportler weiterreichen.

Um genau diese Zulassungsbestimmung dreht sich die Kritik der europäischen Kartellrechtler. Die Bestimmung schreibt nämlich vor, dass die nationalen Verbände es ihren Sportlern zu untersagen haben, bei Wettkämpfen teilzunehmen, die nicht von der ISU genehmigt sind. Bei Verstößen gegen diese Bestimmung drohen den Sportlern empfindliche Sanktionen. So werden Sportler, die an nicht von der Eislaufunion genehmigten Wettbewerben teilnehmen, bei internationalen Veranstaltungen wie den Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften gesperrt. Die Sanktionen reichen sogar bis hin zur kompletten Entziehung der Rennlizenz, womit das Ende einer Sportler-Karriere einhergeht.

Gegen diese Bestimmung haben zwei niederländische Athleten (ein Olympiasieger und ein Weltmeister) Beschwerde eingereicht, woraufhin die Kommission im Oktober 2015 ein Untersuchungsverfahren gegen die ISU eröffnete.

Was sagt die Europäische Kommission?

Die EU-Kommission hat nun in einer Beschwerdemitteilung ihre vorläufige Auffassung bezüglich der Zulassungsbestimmungen bekanntgegeben.

Aus der Mitteilung geht hervor, dass aufgrund der Bestimmungen der ISU die unternehmerische Freiheit der Sportler übermäßig eingeschränkt wird. Gleichzeitig führen die Bestimmungen dazu, dass die Sportler nur an Wettkämpfen teilnehmen, die von der ISU oder deren Mitgliedern ausgerichtet werden, wodurch neue Marktteilnehmer auf dem Gebiet der Durchführung und Organisation von Eisschnelllaufveranstaltungen behindert werden:

„Da Spitzensportler aus diesem Grund nur bei genehmigten Wettbewerben an den Start gehen, wird verhindert, dass neue Marktteilnehmer Eisschnelllauf-Wettbewerbe ausrichten.“

Die Aufgabe von Sportverbänden liegt regelmäßig darin, einheitliche Spielregeln festzusetzen und für deren Einhaltung zu sorgen.

Werden dabei die Spielregeln aber so eng gestrickt, dass es anderen Sportveranstaltern faktisch unmöglich wird, eigene Events durchzuführen, kann darin ein Ausnutzen der Marktmacht und somit ein wettbewerbswidriges Verhalten liegen. Die internationale Eislauf-Union hat nun die Möglichkeit Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen.

Sollten sich die Annahmen der Kommission aber bestätigen, verstoßen die ISU-Zulassungsbestimmungen möglicherweise gegen Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der wettbewerbswidrige Praktiken verbietet.

Rechtlicher Hintergrund

Das Wettbewerbsrecht der EU ist anwendbar, wenn die von den Sportverbänden aufgestellten Regeln Unternehmen oder Personen betreffen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Die wirtschaftliche Tätigkeit von Profisportlern liegt in der Ausübung ihres Berufs. Bei Verbänden ist diese regelmäßig die Durchführung und Sicherstellung des Verbandsbetriebs.

Damit Sportverbandsregeln mit dem EU-Recht vereinbar sind, müssen die Regeln – nach EU-Rechtsprechung – ein legitimes Ziel verfolgen und die damit einhergehenden Beschränkungen in der Natur der Sache liegen und hinsichtlich der angestrebten Ziele verhältnismäßig sein. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann ein Ausnutzen der Marktmacht vorliegen, was als wettbewerbswidrige Verhaltensweise gegen Art. 101 AEUV verstößt.

Die bisher durch die EU-Kommission erfolgte Mitteilung ist lediglich ein förmlicher Schritt bei der Untersuchung im Falle etwaiger Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften. Die Mitteilung dient dazu, die Parteien über den Stand des Verfahrens und die erhobenen Vorwürfe in Kenntnis zu setzen, sodass diese Gelegenheit bekommen dazu Stellung zu nehmen.

 

Auch wenn die Untersuchung der Kommission noch nicht abgeschlossen ist, so sendet sie bereits jetzt schon ein deutliches Signal in Richtung der Verbände. Insbesondere das „Ein-Platz-Prinzip“ vieler Sportverbände wird durch die aktuelle Untersuchung einmal mehr in Frage gestellt. Sportmanship ist schließlich nicht nur fairer Wettbewerb zwischen Sportlern, sondern auch fairer Wettbewerb auf dem Markt der Veranstalter sowie im Verhältnis Sportler und Verband.

 

 

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