Ein fataler Schiedsrichterfehler führte zu einer noch nie da gewesenen Situation in der Fußballwelt. Die falsche Auslegung einer UEFA-Regel hatte die Wiederholung der letzten 18 Sekunden eines U-19 Länderspiels der Frauen zur Folge.

Was war geschehen?

Im Jahr 2013/2014 war sie vom DFB noch zur Schiedsrichterin des Jahres gewählt worden. Jetzt sorgte die deutsche Schiedsrichterin, Maija Kurtes für eine fatale Fehlentscheidung. Ausgerechnet bei dem entscheidenden Qualifikationsspiel zu der U-19 Europameisterschaft der Frauen, zwischen Norwegen und England, sorgte ihre Schiedsrichterentscheidung zur nachträglichen Wiederholung der letzten Spielsekunden.

Wir befinden uns in der sechsten Spielminute der Nachspielzeit, bei einem Spielstand von 2:1 für Norwegen, als die Schiedsrichterin England einen Elfmeter zuspricht. Der Elfmeter wird verwandelt, jedoch rennen englische Spielerinnen, noch vor Vollendung des Spielzuges, den Strafraum, womit der Elfmeter ungültig wurde. Anstatt jedoch den Elfmeter wiederholen zu lassen, wie es in Punkt 14 der FIFA-Spielregeln vorgesehen ist, entschied die Schiedsrichterin auf kein Tor für England und Freistoß für Norwegen.

Nach Protest des englischen Fußballverbandes, hatte sich die UEFA mit der Richtigkeit der Entscheidung der Schiedsrichterin zu beschäftigen. So besagt Punkt 14 der FIFA – Spielregeln zur Position des Balls und der Spieler u.a.:

Verstößt nun ein Mitspieler des Schützen, wie hier der Fall, gegen diese Regel …

Verstoß

… so kommt es darauf an, ob durch den Strafstoß ein Tor erzielt wurde. Ist dies der Fall, so besagt die Regel klar, dass der Strafstoß zu wiederholen ist.

Nach Überprüfung dieser Punkte, gab die UEFA bekannt, dass hier eine klare Regelübertretung stattgefunden habe und der letzte Spielzug des EM-Qualifikationsspiels wiederholt werden müsse. Indessen wurde die DFB-Schiedsrichterin nach Hause geschickt.

Am vergangenen Donnerstag wurde das Spiel, zwischen England und Norwegen  mit der Wiederholung des Strafstoßes für England fortgesetzt. Leah Williamson traf, was zum Ausgleich (2:2) führte. Bereits 18 Sekunden nach Anstoß wurde das Spiel beendet und die Qualifikation des Englischen Teams zur Europameisterschaft in Israel besiegelt.

Doch wie kann es sein, dass diese Schiedsrichterentscheidung nachträglich abgeändert wurde, wo doch zahlreiche Fälle bekannt sind, bei denen eine nachträgliche Änderung der Schiedsrichterentscheidung nicht möglich war?

Schiedsrichterentscheidungen gelten grundsätzlich als Tatsachenentscheidungen, die nicht revidiert werden können. Klar hiervon zu trennen sind jedoch Entscheidungen, die eindeutig gegen ein bestehendes Regelwerk verstoßen. In dem vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine subjektive Einschätzung (Tatsachenentscheidung) einer Spielsituation, sondern um einen klaren Regelverstoß des Schiedsrichters, womit die Überprüfung durch die UEFA und die Annullierung der Schiedsrichterentscheidung gerechtfertigt ist.

Oft werden Schiedsrichterentscheidungen in Frage gestellt. Noch immer ist das Relegationsspiel zwischen Hertha BSC Berlin und Düsseldorf aus dem Jahr 2012 in Erinnerung, welches als Skandalspiel einen Platz in der Fußballgeschichte eingenommen hat. Aufgrund von Ausschreitungen kam es bereits während des Spiels zu mehrminütigen Unterbrechungen. Als gegen Ende des Spiels das Spielfeld von Düsseldorfer Fans gestürmt wurde, geriet die Situation außer Kontrolle. Das Spiel wurde kurzzeitig unterbrochen und nach einer Pause für die letzten Minuten wieder angepfiffen. Ob die Unterbrechung spielentscheidend war, weil die Hertha aus dem Spielfluss geriet, ist Spekulation aber auch nicht ausgeschlossen.

Um eine Wiederholung des Spiels unter fairen Bedingungen zu erreichen, legte Hertha zunächst beim Sportgericht des DFB Protest ein. Der Protest blieb sowohl erstinstanzlich, als auch in der zweiten Instanz vor dem DFB-Bundesgericht erfolglos. Ein Schiedsrichterfehler konnte das Gericht nicht erkennen.

„Mit der Spielunterbrechung und -fortsetzung hat der Schiedsrichter regelkonform gehandelt“.

Das Spiel nach der Unterbrechung für die letzten eineinhalb Minuten fortzusetzen, sei eine Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters, die sich einer Überprüfung entziehe. Schließlich hat der Schiedsrichter hier nicht gegen eine bestehende Regel verstoßen, sondern im Rahmen des Regelwerkes von seinem Ermessen Gebrauch gemacht.

Ein weiteres Beispiel zur Abwägung zwischen Tatsachenentscheidung und überprüfbarem Regelverstoß war das „Phantomtor“ im Spiel zwischen Hoffenheim und Leverkusen aus dem Jahr 2013. Leverkusens Kießling köpfte einen Ball in das seitliche Netz des Tors, woraufhin der Ball durch ein Loch im Netz ins Tor trudelte. Der Schiedsrichter zweifelte zwar am Zustandekommen des Tores, gab aber den Treffer. Hoffenheim legte beim DFB–Sportgericht Einspruch gegen die Wertung des Spiels ein. Das Gericht entschied sich gegen ein Wiederholungsspiel, da kein Regelverstoß des Schiedsrichters festgestellt werden könne. Zur Begründung berief sich das Gericht auf Punkt 5 des offiziellen Regelwerks des Verbands, in dem es hieß:

„Die Entscheidungen des Schiedsrichters zu spielrelevanten Tatsachen sind endgültig. Dazu gehören auch das Ergebnis des Spiels sowie die Entscheidung auf Tor oder kein Tor.“

Für Verwunderung sorgte seinerzeit allerdings, dass der DFB vor einer Entscheidung durch das Sportgericht die Einschätzung der FIFA zum Fall einholte, weil diese bekanntermaßen eine sehr restriktive Haltung zum Ansetzen von Wiederholungsspielen in vergleichbaren Fällen habe.

Fazit:

Bei der Wertung von Schiedsrichterentscheidungen gilt es stets darauf zu achten, ob es sich um einen Regelverstoß handelt, oder es sich um eine Tatsachenentscheidung handelt. So bedarf es Tatsachenentscheidungen, um einen kontinuierlichen Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. Schiedsrichter sollen Spielentscheidungen aufgrund von subjektiven Wahrnehmungen fällen können, welche als nicht revidierbare Tatsachen angesehen werden. Um eine einheitliche Kontrolle gewährleisten zu können, haben sich Schiedsrichter dabei an Regelwerke zu halten. Die Nichteinhaltung des Regelwerks, führt zu einer nachträglichen Überprüfung der Schiedsrichterentscheidung – in Härtefällen kann sich hieraus eine berechtigte Wiederholung eines Spiels ergeben.

 

 

Foto: © Depositphotos.com/salejean