Weil Anhänger der Nürnberger Ultra-Szene im Vorfeld eines Fußballspiels in Bayern von der Polizei in Gewahrsam genommen wurden, verpassten sie das Spiel. Nach 4-Jährigem Rechtsstreit zwischen Anhängern der „Banda di Amici“  und dem Land Bayern erhalten die Fans nun Schadensersatz.

 

Was war passiert?

Vor dem Spiel des 1. FC Nürnberg gegen den FC Bayern München im Oktober 2011 nahm die Polizei eine Gruppe von Nürnberger Ultras in Gewahrsam. Das Derby war damals von der Polizei als Hochrisiko-Spiel eingestuft wurden.

Da die Polizei Auseinandersetzungen zwischen den beiden Ultra-Gruppierungen befürchtete, nahm sie die Nürnberger-Fans, die sich auf dem Weg ins Stadion befanden, vorsorglich in Gewahrsam und hielt sie bis zum Spielende in einer Sammelstelle fest. Tatsächlich kam es zu keinen Auseinandersetzungen. Die Fans sahen sich durch die Maßnahme der Polizei ungerecht behandelt, schließlich fand das Spiel ohne sie statt.

Kurz darauf legte einer der Nürnberger Fans Beschwerde ein und wollte vom Gericht die Rechtswidrigkeit der Gewahrsamnahme festgestellt bekommen. In erster Instanz wies das Amtsgericht München die Beschwerde ab. In zweiter Instanz bekam der Fan vom Landgericht (LG) München jedoch Recht. Das Gericht führte hierzu aus: Es sei ein „unzulässiger Zirkelschluss“, die Gefährlichkeit einzelner Personen mit der bloßen Anwesenheit in einer vermeintlich gewaltbereiten Gruppe zu begründen. Der Polizei sei es nicht gelungen, die Gefährlichkeit einzelner Personen nachzuweisen.

Nachdem 49 weitere Mietglieder der Nürnberger Ultra-Gruppe „Banda di Amici“ zunächst gegen das Land Bayern klagten, schlossen sie nun einen Vergleich. Alle 49 Fans erhielten einen Schadensersatz für verfallene Tickets, Fahrt- und Anwaltskosten in Höhe von 125€ pro Fan.

Ein Sieg für alle Ultras?

Keineswegs! Bei der Entscheidung des LG München und dem Vergleichsschluss dürfte es sich um das Ergebnis einer Einzelfallprüfung handeln. Bei fanorientierten Maßnahmen der Polizei handelt es sich zumeist um eine Gefahrenvorsorge. Dabei hat die Maßnahme jedoch im Verhältnis zur erwarteten Gefahr zu stehen. Im vorliegenden Fall befand sich weder eine verfeindete Gruppe in der Nähe, so dass es hätte zu Auseinandersetzung kommen können, noch ist es zu einer anderen Ausschreitung gekommen. Somit scheint die Präventivmaßnahme der Polizei tatsächlich nicht angemessen gewesen zu sein.

Ingewahrsamnahme der Polizei im Vorfeld eines Fußballspiels

Das Landespolizeigesetz berechtigt die Polizei, zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben, hat der Gesetzgeber der Polizei ebenfalls das Recht eingeräumt, potenzielle Straftäter in Gewahrsam zu nehmen.

„Die Polizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann“ (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG)

Zwar sind die Befugnisse der Polizei sehr weitreichend und weitestgehend von Ermessen und Verhältnismäßigkeitserwägungen abhängig, dennoch darf die Polizei keineswegs tun was sie will. Gerade an Maßnahmen der präventiven Ingewahrsamnahme, die in die Freiheitsrechte des Bürgers eingreifen, muss ein hoher Maßstab gesetzt werden. Eine solche Maßnahme erfolgt nicht selten aufgrund einer Prognoseentscheidung der Polizei, wobei unter Anderem folgende Punkte Berücksichtigung finden sollten: Besteht eine konkrete Gefahrenlage? Droht die Gefahr in einen Schaden umzuschlagen, wenn nicht alsbald Gegenmaßnahmen ergriffen werden? Besteht im Verhalten des Betroffenen ein sachlicher Bezug zum bevorstehenden Ereignis?

Das Ermessen und die Verhältnismäßigkeit sind gerichtlich überprüfbar

– so wie es auch im oben beschriebenen Fall geschehen ist. Auch schreibt das Grundgesetz in Art. 104 Abs. 2 GG vor, dass freiheitsentziehende Maßnahmen durch einen Richter angeordnet bzw. unverzüglich bestätigt werden müssen.

Im oben beschriebenen Fall drängt sich die Vermutung auf, dass es nicht lediglich darum ging, ein Zusammentreffen rivalisierender Fans zu verhindern. Vielmehr wurden die Fans so lange unter Verschluss gehalten, bis das Fußballspiel beendet war. Die Voraussetzungen des präventiven Gewahrsams sind somit verfehlt.

Die Möglichkeiten polizeilicher Maßnahmen im Vorfeld an ein Fußballspiel sind weitreichend. Unter den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten sollte jedoch die präventive Ingewahrsamnahme das letzte Mittel sein.  Die Rechtsmäßigkeit einer solchen Maßnahme kann im Wege einer Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) gerichtlich überprüft werden. Die Verjährungsfrist für Schadensersatz unterliegt dabei der Regelverjährung von 3 Jahren. Etwaige Schadensersatzansprüche können somit noch bis zu 3 Jahren, beginnend mit Ablauf des Jahres, in dem der Schaden eingetreten ist, geltend gemacht werden.

 

 

Foto: © Depositphotos.com/kanvag